Versicherungsschutz ist ein eher dröges Thema und für die meisten hört es nach der Wahl der Krankenkasse auch schon wieder auf. Doch für Freelancer in der Kreativbranche kann der Versicherungsschutz durchaus ein finanzielles Problem bedeuten, da ihnen kein Arbeitgeber die 50 % der Beiträge bezahlt. Bei unsicheren und schwankenden Einnahmen, die leider viel zu oft am Rande der Armutsgrenze rangieren, wird der Versicherungsschutz zur Existenzfrage. Für genau diese Menschen gibt es die KSK.
Die Künstlersozialkasse ist eine Behörde, die mit der Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes beauftragt ist. Das klingt erstmal wenig aufregend. Für Kreativschaffende kann es das aber durchaus werden. Denn die KSK sorgt dafür, dass genau diese trotz ihrer Selbstständigkeit wie Angestellte behandelt werden und die 50 % des Sozialversicherungsbeitrags erstattet bekommen. So sollen Kreativschaffende vor zu hohen Kosten geschützt werden, die ihre Tätigkeit womöglich verhindern würden, und es soll den Einstieg in das Berufsfeld erleichtern. Demnach sind die sehr erfolgreichen Künstler*innen nicht bei der KSK; auch Helene Fischer nicht, wie uns Stefan Hein versichert.
Um die Leistungen der KSK in Anspruch nehmen zu können, müssen die Antragstellenden eine selbstständige oder freischaffende künstlerische oder publizistische Tätigkeit ausüben, die als Haupteinnahmequelle angesehen werden kann. In Zahlen bedeutet das mindestens 3.900 € pro Jahr Einnahmen aus eben dieser Tätigkeit, wobei es für Berufseinsteigende weitere Erleichterungen gibt.
Die Leistung der KSK finanziert sich über eine Abgabe, die diejenigen Unternehmen zahlen müssen, die künstlerische Leistungen von Selbstständigen verwerten. Dazu gehören Theater, Verlage, Werbeagenturen oder Galerien. Die Abgabe beträgt 4,2 % des gezahlten Honorars. Sie wird auch dann gezahlt, wenn die beauftragte Person nicht über die KSK versichert ist, weshalb die Behörde immer mal wieder in der Kritik steht. Stefan Hein rechtfertigt dieses Vorgehen jedoch: “Wir leben in einer Solidargemeinschaft und es wäre schlicht wettbewerbsverzerrend, wenn wir den Beitrag nur bei KSK Versicherten abführen würden. So hat auch das Bundessozialgericht entschieden.” Durch diese Abgabe werden 30 % finanziert. Die übrigen 20 % kommen vom Bund.
Künstler*in ist nicht gleich Künstler*in
Während die Zahlen ziemlich klar und unmissverständlich geregelt sind, gibt es durchaus Interpretationsspielraum hinsichtlich der Tätigkeiten, die als künstlerisch oder publizistisch bewertet werden. Darum geht es auch bei Stefan Hein und seinen Kolleg*innen, die in Wilhelmshaven darüber entscheiden, wer den Anspruch hat und wer ihn evtl. wieder verliert.
Bei Schauspieler*innen, Autor*innen oder Musiker*innen ist es eindeutig, da hier eine nicht von der Hand zu weisende künstlerische oder publizierende Tätigkeit vorliegt. Diese Personen haben natürlich Anspruch auf die Leistungen der KSK. Bei handwerklichen Berufen sieht es anders aus. Denn obwohl auch diese häufig kreativ und künstlerisch tätig sind, sind handwerkliche Tätigkeiten per se ausgeschlossen. Als gelernter Goldschmied kennt Stefan Hein das Problem und die Widersprüche aus erster Hand, die hier begraben liegen. Aber wie verhält es sich beispielsweise mit neuen Berufsfeldern wie UX-Designer*innen, Blogger*innen oder Influencer*innen?
“Durch neue Tätigkeiten entstehen irgendwann neue Berufsfelder”, erklärt Stefan Hein. “Vor zehn Jahren hat ja noch keiner damit gerechnet, dass es mal junge Leute geben wird, die auf Instagram & Co. selber Filme drehen und eigene Texte schreiben. Sind Influencer*innen also Künstler*innen oder Publizist*innen? Diese Fragen müssen wir bei der KSK beantworten und eine Entscheidung treffen, ob der Beruf oder die Tätigkeit bei uns versichert wird oder nicht.”
“Kann eine Behörde überhaupt solidarisch sein?”
Solche Entscheidungen benötigen Sensibilität. Die Gesellschaft wandelt sich und so auch mediale Dynamiken, aus denen diese neuen Berufsfelder hervorgehen. Die Mitarbeitenden der KSK sollten also ein Verständnis für Kunst und Kultur und die Bedürfnisse der in diesem Feld tätigen Menschen mitbringen, wie Stefan Hein erzählt: “Man braucht ein Gespür für die Bedürfnisse der Kreativen; was die tatsächlich umtreibt und wie schwer so eine Biografie sein kann. Es geht eben nicht um die erfolgreichen Sänger*innen, die bei uns ja gar nicht auftauchen, sondern da geht es um ganz andere Menschen, die aber genauso wichtig sind und ihren Beitrag für unser Land leisten. Und da wird man auch sensibler durch die Tätigkeit bei der KSK.”
Wird ein Antrag abgelehnt, bleibt nur der Rechtsweg. So gab es mal eine Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass Webdesigner*innen zu den Berufen mit KSK-Anspruch zählen. Hinter den Wänden der KSK wurde ein solcher Antrag zuvor abgelehnt. Als Behörde muss die KSK ein solches Urteil uneingeschränkt umsetzen. Das Beispiel zeigt aber, wie wichtig die von Stefan Hein geforderte Sensibilität der KSK-Mitarbeitenden ist, da ihre Entscheidungen ganze Berufsgruppen betreffen können und nicht jede*r die Kapazitäten und Mittel für den Rechtsweg hat.
Corona hat viele Künstler*innen in eine tiefe Krise gestürzt, die unter Umständen auch ihren KSK-Anspruch berührt. Denn wer zwei Jahre in Folge nicht auf den geforderten Jahresumsatz kommt, fliegt raus. Hatten Künstler*innen schon vor der Krise Probleme, könnte es eng werden. Zum anderen sind viele darauf angewiesen, eine andere Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis auszuüben. Auch in diesem Fall verlieren sie ihren Anspruch auf die Leistungen der KSK. Stefan Hein zeigt sich betroffen davon, aber am Ende sei die KSK nur eine Behörde, die Gesetze durchführt. “Kann eine Behörde überhaupt solidarisch sein?”, fragt Stefan Hein rhetorisch. “Ist das Finanzamt solidarisch mit den Steuerzahlenden?”
Der Stromberg-Vergleich ziehe trotzdem nicht. Die KSK sei eine sich stetig reflektierende und dynamische Behörde, die um gutes Personal und Transparenz bemüht sei. So bietet diese z.B. Webinare an, bei denen sich Mitarbeitende den Fragen der Teilnehmenden stellen und Licht in die teils dunklen Ecken der Behörde bringen.
Hinterlasse einen Kommentar