In Deutschland möchte sich das E-Book nicht so recht durchsetzen. Zwar steigt sein Marktanteil etwas, bleibt aber noch immer weit hinter den Erwartungen zurück. Die Zahl der Käufer*innen von E-Books stieg in 2020 nur leicht um 3,3 Prozent an, wie die Tagesschau berichtete. Nachdem während der Krise der Umsatz im Buchmarkt zeitweise stark eingebrochen war, geht es in 2021 wieder spürbar bergauf. Für die Branche ist das gut, für das Klima nicht. Denn die Buchproduktion hinterlässt einen relativ großen CO2-Fußabdruck.
Doch in der Kreativbranche steigt das Bewusstsein für die Problematik, wie wir kürzlich anhand zweier Beispiele berichteten. Und auch in der Buchbranche zeigt sich Bewegung und Änderungswille unter den Kreativschaffenden. Ein deutliches Zeichen setzen hier die Writers For Future, die vor zwei Jahren vom Verband Deutscher Schriftsteller*innen gegründet wurden. Wir wollten mehr darüber wissen und haben bei den Organisatoren der Initiative Anne Weiss und Sven j. Olsson nachgefragt. Diese erklären uns auch, dass E-Books nicht per se klimafreundlicher sind und Ausgleichszahlungen oft einer kolonialen Struktur folgen.
Was Schriftsteller*innen eben tun: Schreiben
Was sind die Beweggründe hinter Writers For Future?
Sven j. Olsson: Wir Autor*innen wollen bei dieser wichtigen Frage für unsere Zukunft nicht am Straßenrand stehen und zugucken. Schriftsteller*innen haben sich schon immer mit der Gesellschaft, in der sie leben, auseinandergesetzt. Genau das tun wir mit den Writers. Wir nehmen Stellung zum Klimawandel.
Anne Weiss: Writers for Future tritt ehrenamtlich für Klima- und Biodiversitätsgerechtigkeit ein – und zwar da, wo wir uns am besten auskennen: in der Buchbranche. Zu diesem Zweck engagieren wir uns in buchbranchenspezifischen Projekten. Dazu gehören unter anderem die erste Klimabuchmesse, das Schreiben von Klimagerechtigkeitsbriefen sowie die öffentlichkeitswirksame Forderung zu mehr Klima- und Umweltschutz in den Verlagen, in der Buchproduktion und im Verkauf. Und wir tun das, was Schriftsteller:innen eben tun: schreiben. Auf unser Thema bezogen bedeutet das: Wir machen uns ein Bild von Gegenwart und Vergangenheit, um Ideen und Visionen für eine gerechte und möglichst gesunde Welt von morgen zu entwickeln.
Die Writers for Future nehmen namentlich Bezug auf die Fridays for Future. Wurden Sie von der Jugendbewegung “wachgerüttelt”?
Sven j. Olsson: Das Anliegen von Fridays for Future, was die Klimagerechtigkeit betrifft, trug entscheidend zur Gründung der Writers bei. Am Anfang ging es uns um die Unterstützung der Schüler*innen und ihrer Forderung nach Klimaschutz. Inzwischen haben wir eine ganz eigene Agenda.
Anne Weiss: Da ich in den Achtzigern und mit der Umweltbewegung aufgewachsen bin, haben mich persönlich eher das Waldsterben, Tschernobyl und die Proteste von Greenpeace gegen die Dünnsäureverklappung in der Nordsee wachgerüttelt. Auch wenn mir also schon klar war, wie existenziell diese Frage ist: Die Fridays haben es durch die vehementen und langlebigen Proteste und ihre außergewöhnliche Vernetzung geschafft, das Thema, das mich schon so lange beschäftigt, sehr schnell und nachhaltig auf die Tagesordnung zu setzen. Das hat mir neuen Mut gegeben, dass es möglich ist, wirklich etwas zu verändern – und mich angespornt aktiver zu werden.
Mit Widersprüchen Leben For Future
Es geht bei Writers for Future sowohl um das Klima-Thema im Buch, als auch um die Nachhaltigkeit der Branche selbst. Lässt sich das problemlos unter einen Hut bekommen oder müssen Sie noch mit vielen Widersprüchen leben?
Anne Weiss: Wir alle leben täglich mit den Widersprüchen des Systems – viele wollen sich gerne so gut wie möglich verhalten, aber das ist schwer, wenn man nicht unterm Stein lebt. Wir alle lieben Bücher, und ich selbst bin ein absoluter Büchermensch – viel von dem, was ich weiß, habe ich aus Büchern gelernt, vieles, was ich dann praktisch umsetze, erfahre ich aus Büchern. Insofern steht man ja auch zwischen dem, was man als Autorin transportieren möchte, und dem, was produktionstechnisch möglich ist.
Gerade bei den Umweltthemen, über die ich schreibe, merke ich aber, dass immer öfter die Bereitschaft besteht, sich von Verlagsseite auch auf eine umweltfreundlichere Produktionsweise einzulassen. Zuletzt hat mein Verlag mir den Blauen Engel für eine Publikation ermöglicht. Für mich steht darum fest: Jede*r kann mehr Klimaschutz und eine umweltfreundlichere Handlungsweise einfordern. Im besten Fall werden umweltschonende Produktionsverfahren und lokale Herstellung so zur Verhandlungsmasse für einen Buchvertrag, denn Verlage merken, dass Klimagerechtigkeit ein echtes Verhandlungsargument ist.
Sven j Olsson: Autor*innen produzieren Ideen und Geschichten. Klimagerechtigkeit in der Buchbranche ist eine Idee und kann zu einer Geschichte werden. Wir können sie schreiben, wenn wir mit Kolleg*innen, den Partner*innen im Buchhandel und bei den Verlagen darüber reden. Sicher können Einzelne nicht viel bewegen, aber wir sind viele und werden immer mehr. Darin liegt unsere Chance.
Die Buchbranche in einem Boot
Welchen Einfluss haben Kreativschaffende auf die Verlage, wenn es um nachhaltige Produktionsmethoden geht? Sehen Sie die Autor*innen hier in der Pflicht?
Anne Weiss: Ein großer Teil der Verantwortung liegt bei denen, die Vorgaben entwickeln – sei es politisch oder produktionstechnisch. Es ist aber weniger unsere Pflicht als vielmehr unser aller Chance, die Zukunft positiv zu beeinflussen – und die sollten wir jetzt ergreifen.
Sven j. Olsson: Alle stehen in der Pflicht, und nicht wenige in der Buchbranche sehen dies. Inzwischen sind bei den Writers nicht nur Autor*innen, sondern auch Lektor*innen, Verleger*innen und Buchhändler*innen aktiv. Darin liegt auch die Stärke dieser Bewegung. Sie beschränkt sich nicht allein auf die Schreibenden, sondern versucht alle im Buchhandel mit ins Boot zu holen.
Welche Rolle spielt Digitalität bei den Writers for Future; auch hinsichtlich der Frage der Energiebilanz des Digitalen?
Anne Weiß: Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten, da kommt es auf Lesegeräte, Portale und Stromerzeugung an. E-Books sind nicht zwingend eine umweltfreundliche Alternative zu physischen Büchern: Dazu muss man sich die Endgeräte anschauen, auf denen sie gelesen werden. Tablets sind energieaufwändig herzustellen. Und wie sieht es mit dem Verschleiß und den seltenen Erden in der Handyproduktion aus? Wie viel Strom frisst das Gerät und wie wird dieser erzeugt? Wo wurde es hergestellt? Digitales Lesen lohnt sich etwa dann, wenn das Gerät mit Ökostrom betrieben wird, wenn es fair hergestellt wurde und wenn wir es oft und lange nutzen. Häufig ist es ökologisch sinnvoller, ein Buch zu kaufen oder es in der Bibliothek zu leihen.
Das Buch ist ein sympathisches Medium
Begleitend zur Leipziger Buchmesse bzw. “Leipzig liest” fand die erste “Klimabuchmesse” statt. Was ist das Konzept dahinter?
Anne Weiss: Unsere Idee war, mit einem vielfältigen Programm Lust aufs Thema zu machen – und zu zeigen, was in Sachen Klima- und Umweltschutz die Branche bewegt. Das ist uns gelungen, denke ich. Das Buch ist ein sympathisches Medium, wir wollten ein starkes Event wie die Leipziger Buchmesse nutzen, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Sind für die Zukunft weitere “Klimabuchmessen” geplant?
Anne Weiss: Wir sind gekommen, um zu bleiben – zumindest so lange, wie es uns braucht. Die Klimabuchmesse wird nach dem derzeitigen Stand wieder veranstaltet, wenn es nach uns geht, wird es ein regelmäßiger Event. Gerade planen wir noch weitere Veröffentlichungen und Veranstaltungen.
Sven j. Olsson: Besser als die Kollegin kann man es nicht sagen: ‘Wir sind gekommen, um zu bleiben.’ Nicht mehr und nicht weniger.
Welche Rolle spielen CO2-Ausgleichszahlungen in der Buchbranche? Halten Sie solche Maßnahmen für sinnvoll?
Anne Weiss: Klimaneutralität bedeutet für viele noch Ausgleichszahlungen und Zertifikate für Naturschutz anderswo auf dem Planeten. Grundsätzlich sind Klimazertifikate umstritten, weil sie allzu oft keinen gerechten Klimaschutz darstellen: Wir erhalten hierzulande unsere Lebensweise aufrecht, indem wir Klimaschutzprojekte im Globalen Süden unterstützen. Ein ziemlich kolonialer Gedanke, der ungerechte Strukturen im Namen des Umweltschutzes weiterführt. Denn oft werden für diesen Ausgleich in anderen Ländern Flächen verwendet, auf denen dann eine zweifelhafte Form des Umweltschutzes betrieben wird. Ohne massive Einsparungen von Emissionen hierzulande und das UN-Prinzip des ‘free, prior and informed consent’ der Bevölkerung in den betreffenden Ländereien, die als Ausgleich genutzt werden, ist dies nicht zufriedenstellend. Denn dann dient es einfach dazu, so weitermachen zu können wie bisher. Wir müssen jedoch echte Nachhaltigkeitsziele verfolgen, wie sie die Initiative SDG Publishers Compact auf der Frankfurter Buchmesse 2020 gefordert hat.
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