Die Freiheit des Wortes ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Für uns in Deutschland eine im Grundgesetz festgeschriebene Selbstverständlichkeit. Doch auch wir erkennen in den Debatten um Fake-News, Rechtspopulismus oder auch Cancel-Culture der letzten Jahre, auf welch wackeligem Fundament diese eigentlich steht und dass sie permanent eingefordert und verteidigt werden muss.
In vielen anderen Ländern der Welt ist die Situation – euphemistisch formuliert – weniger komfortabel. Nicht nur Journalist*innen, sondern auch Schriftsteller*innen, Wissenschaftler*innen oder Musiker*innen werden bedroht, verfolgt, inhaftiert und sogar getötet. Viele werden seit Jahren vermisst. Länder wie China, Kuba, Türkei oder auch Russland sorgen hier immer wieder für negative Schlagzeilen und zeigen, wie dramatisch es um die Meinungsfreiheit in vielen Teilen der Welt steht. Und dem Anschein nach verschlechtert sich diese Situation zunehmend.
Den internationalen Druck erhöhen
Um darauf aufmerksam zu machen und den internationalen Druck auf die betroffenen Staaten und Machthaber*innen zu erhöhen, wurde bereits 1980 der “Tag des inhaftierten Schriftstellers [*der inhaftierten Schriftstellerin]” ins Leben gerufen, der jährlich am 15. November stattfindet. Initiator des Gedenktages ist der PEN, eine Vereinigung von Schriftsteller*innen mit Zentren in über 140 Ländern der Welt. Im PEN-International sind diese zusammengeschlossen.
Am “Tag des inhaftierten Schriftstellers [*der inhaftierten Schriftstellerin]” rückt die internationale Vereinigung die teils dramatische Lage in Teilen dieser Welt ins Licht der Öffentlichkeit.
„Weltweit ist die Bedrohung von Autoren und Schriftstellerinnen leider nicht weniger geworden”, sagt Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des deutschen PEN-Zentrums in der Pressemitteilung. “Mit großer Sorge beobachten wir die Situation in all jenen Ländern, in denen die Meinungsfreiheit unterdrückt und Intellektuelle inhaftiert werden.”
Um die Bedrohung greifbar zu machen, geht der PEN auf fünf Einzelschicksale von Schriftsteller*innen und Kulturschaffenden ein, die aufgrund ihrer Werke aktuell in verschiedenen Ländern im Gefängnis sitzen oder vermisst werden.
Für einen Song ins Gefängnis
Einer von ihnen ist der Politiker, Rechtsanwalt und Schriftsteller Selahattin Demirtaş, der seit 2018 in der Türkei inhaftiert ist. Grund der Verurteilung zu insgesamt 4 Jahren und 8 Monaten ist sogenannte “Terrorpropaganda”. Es laufen aber noch weitere Verfahren, die laut Tagesschau bis zu 142 Jahre Haft für Demirtaş bedeuten könnten. Das türkische Verfassungsgericht habe die Verurteilung als rechtswidrig eingestuft und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordert seit 2018 stetig die Freilassung des ehemaligen Co-Vorsitzenden der HDP (Demokratische Partei der Völker). Die Türkei ignoriert diese Forderungen.
In Kuba wurde im Mai diesen Jahres der Rapper Maykel Osorbo verhaftet. Grund ist dessen erfolgreicher Protestsongs “Patria y Vida” (Vaterland und Leben), der eine ironische Umkehrung des kubanischen Revolutionsgrußes “Patria o Muerte” (Vaterland oder Tod) ist und damit deutliche Regimekritik zum Ausdruck bringt. Der Song wurde im Juli zu einer Art Hymne der Massenproteste auf Kuba und ging auch international in den sozialen Medien viral. Die Vorwürfe gegen ihn lauten “Öffentliche Unruhe” sowie “Widerstand gegen Polizeibeamte”. Ein ordentliches Verfahren blieb ihm laut PEN bis heute verwehrt. Während Osorbo im Gefängnis in den Hungerstreik tritt, wird sein Song “Patria y Vida” für einen Grammy nominiert.
In Eritrea fehlt seit über 20 Jahren jede Spur von insgesamt zwölf Autor*innen. Der PEN nutzt auch hier den Gedenktag, um auf diesen furchtbaren Missstand erneut aufmerksam zu machen. Der PEN erneuert hier seine Forderung an die Weltgemeinschaft und insbesondere an die Europäische Union, “die brutale Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in Eritrea nicht länger zu ignorieren”, wie es im Papier zum Gedenktag heißt. Dort nennt der Verband auch die Namen der Verschleppten.
Die weiteren zwei Einzelschicksale betreffen die seit 2017 vermisste Wissenschaftlerin Rahile Dawut, die in China zur uigurischen Minderheit forschte, sowie Mohammed Al-Roken, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Folter und Gefängnis verurteilt wurde, da er mit einer Petition zu politischen Reformen in Verbindung gebracht wurde. Es sind nur fünf Beispiele, die ein weit größeres Problem um Meinungs- und Pressefreiheit in vielen Teilen dieser Welt repräsentieren. Bereits letztes Jahr sagte Ralf Nestmeyer in einem Interview mit dem BR, dass sich die Lage von Jahr zu Jahr verschlechtere und die Demokratie unter Bedrängnis gerate.
NGO mit langer Tradition
Der PEN-International hat eine lange Geschichte. Er wurde bereits 1921 in London gegründet und zählt damit zu den ältesten Non-Goverment-Organisations (NGO) überhaupt. Damals hieß die Organisation einfach nur PEN, ein Acronym für Poets, Essayists, Novelists. In den ersten Jahren nach der Gründung in UK haben sich viele weitere PEN-Zentren in Europa gebildet, darunter auch 1924 das PEN Zentrum Deutschland, das seinen Sitz in Darmstadt hat. Zu Zeiten des Nationalsozialismus war der Verband verboten. In den 1930er Jahren kamen dann auch Zentren in anderen Teilen der Welt hinzu, wie in Südamerika oder China. Heute sind über 140 solcher Zentren auf der ganzen Welt im PEN-International zusammengeschlossen und kämpfen für die Freiheit des Wortes.
Die Bemühungen des PEN können nicht hoch genug bewertet werden. In Punkt eins seiner Charta heißt es: “Literatur kennt keine Landesgrenzen und muss auch in Zeiten innenpolitischer oder internationaler Erschütterungen eine allen Menschen gemeinsame Währung bleiben.” We couldn’t agree more!
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