Studium oder Quereinstieg? – Was für Kreativschaffende wichtig ist

Unsere Gesellschaft akademisiert sich zunehmend. Das betrifft auch die Kultur- und Kreativbranche, obwohl das Studium hier eine im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen eher untergeordnete Rolle spielt. Am Ende zählen praktische Erfahrungen und Referenzen immer noch mehr als ein Bachelor oder Master. Dennoch kann sich ein Studium positiv auswirken. Für wen das der Fall ist und was bei der Wahl des Studiengangs und der Hochschule beachtet werden sollte, erörtern wir in unserem Beitrag. Ein Teilbereich wünscht sich sogar bessere universitäre Strukturen, um international mithalten zu können.

Studium oder Quereinstieg? – Was für Kreativschaffende wichtig ist

Wer mit der eigenen Kreativität Geld verdienen bzw. beruflich tätig sein möchte, muss sich heute die Frage nach Studium oder Quereinstieg stellen. Denn sowohl private als auch staatliche Hochschulen bieten verschiedenste Studienmöglichkeiten als Vorbereitung für eine Tätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft an. Ob es sinnvoll ist, den akademischen Weg zu gehen, hängt von unterschiedlichen Faktoren wie dem Berufswunsch, dem eigenen Kenntnisstand und den Angeboten der Hochschulen ab.

Kunstsektor sticht heraus

Wie viele der Kreativschaffenden studiert haben und – wichtiger noch – wie viele auch tatsächlich den Beruf studiert haben, den sie aktuell ausüben, dazu gibt es keine aussagekräftigen Zahlen. Eine Studie des Bildungswerks Berlin der Heinrich Böll Stiftung aus 2015 zeigt jedoch große Unterschiede in den Teilbereichen. In den Teilbereichen Musik, Buch, Kunst, Architektur, Presse, Software und Werbung zeigt sich ein hoher Grad an akademischer Ausbildung. Im Gegensatz dazu gibt es in den Teilbereichen Film, Darstellendes Spiel und Design eine große Auswahl an Berufsausbildungen. Mit 25% ganz ohne Berufsabschluss sticht besonders der Kunstsektor heraus. Die Daten stammen von der Agentur für Arbeit und der Künstlersozialkasse und wurden in der Studie zusammengeführt.

In unserem Podcast bestätigt der heute sehr erfolgreiche Schauspieler und Drehbuchautor Tom Sommerlatte dieses Bild und erzählt, wie er auch ohne Abschluss einer staatlichen Schauspielschule sein Weg gemacht hat.

Allgemein gibt es auch über die Erfolgsquoten von Studium oder Quereinstieg im Kreativsektor keine Zahlen. Klar ist aber, dass es i.d.R. mehr als die Kreativität selbst braucht, um erfolgreich zu sein. Talent ist zwar ein wichtiger Aspekt, aber nicht der eine entscheidende. Es sind auch Kommunikationsstärke, erfolgreiches Netzwerken sowie betriebswirtschaftliches und medientechnisches Wissen wichtig, um in der Branche eine Chance zu haben. Schließlich geht es nicht nur um den künstlerischen Wert der eigenen kreativen Arbeit, sondern auch um deren gelungene Vermittlung und Vermarktung.

Die Wahl des Studienganges sollte entsprechend des eigenen Kenntnisstandes und hinsichtlich dessen getroffen werden, in welchen Bereichen noch Weiterbildungsbedarf besteht. Viele Studiengänge mit kreativer Ausrichtung bieten im Wahlbereich medienpraktische oder betriebswirtschaftliche Module an.

Zirkulierende Ideen und öffentliche Reputation

Universität Potsdam Campus Griebnitzsee, Haus 6 © K. Fritze

Hochschulen bieten aber neben fachlicher und künstlerischer Expertise auch den Raum zum Ausprobieren und Weiterentwickeln der eigenen Ideen und Arbeiten an. Ein solcher entsteht nicht nur während der Seminare und zwischen den Studierenden und ihren Professor*innen, sondern im besten Fall auch durch einen Dialog mit der Öffentlichkeit. Egal ob staatlich oder privat, Hochschulen sind Wirtschaftsunternehmen und auf eine gute Reputation angewiesen, in deren Sinne sie Eigenmarketing betreiben. Gegenstand dieses Marketings sind gerade im kreativen Bereich häufig die Arbeiten der Studierenden selbst, die auf einer öffentlichen Bühne präsentiert und ausgestellt werden. Auf diese Weise präsentiert sich nicht nur die Hochschule, sondern die Studierenden bekommen zudem wertvolles, außeruniversitäres Feedback.

Andreas Ingerl ist Professor für Audiovisuelles Multimedia- und Screendesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Auf der letzten Berlin Design Week 2019 (pandemiebedingt fiel die 2020-Ausgabe aus) wurde die Ausstellung Schnittstellen realisiert, die Arbeiten der Studierenden zeigt. Darunter befinden sich auch zwei Abschlussarbeiten: “Solche Events sind zum einen für die Studierenden sehr spannend”, erklärt Ingerl, “da sie hier die ‘echten Reaktionen’ von Nutzer*innen bekommen. Zum anderen sehen wir das auch als Intervention und Inspiration für die ganze Kreativwirtschaft. Indem wir zeigen, was bei uns im Studium so entsteht, haben wir einen Impact auf die Industrie.” Für die BNDNWK 2021, die Ende Mai stattfindet, ist erneut ein Projekt geplant. Solche Kooperationen können den Studierenden viele Türen öffnen und Chancen geben.

Du bist nur so gut wie dein Netzwerk

Je nachdem wie eine Hochschule aufgebaut und vernetzt ist, können hier die Fäden aus Industrie und Lehre zusammenlaufen und es entstehen neue Möglichkeiten. Für Quereinsteiger*innen kann es sehr viel schwieriger sein, in Kontakt mit der Wirtschaft zu kommen. Doch auch diese haben natürlich die Möglichkeit, über Netzwerke mit Kreativschaffenden, Interessenverbänden mit der Industrie in Kontakt zu kommen. Eine kleine Auswahl solcher Netzwerke haben wir euch hier zusammengestellt.

Aufbau und Pflege der Netzwerke nimmt einen großen Teil der Arbeit für Kreativschaffende ein. Doch bei Quereinsteiger*innen kann der Eigenaufwand nochmal größer sein, da sie möglicherweise bei Null anfangen müssen, während eine Uni bereits lange gewachsene und stabile Strukturen bietet.

© Mattias Baumbach

Matthias Baumbach ist Werbefotograf für Mensch und Maschine und weiß um die Schwierigkeit eines funktionierendes Netzwerkes: 

“Als Unternehmer ist man nur so gut wie sein Netzwerk. Daher war der Aufbau dessen meine größte Hürde. Dazu kam das Thema der Preisgestaltung. Da sind einige Mitbewerber vollkommen ahnungslos und sabotieren durch zu niedrig angesetzte, nicht marktübliche Honorare den Markt und letztlich sich selbst.”

Wie viel kostet Kreativität?

Studierende stehen mit ihren Werken und Arbeiten in einem ständigen Austausch mit ihren Kommiliton*innen und Professor*innen. So können sie ihre Technik verfeinern, Vermittlungs- und Vermarktungsstrategien theoretisch ausprobieren und anpassen sowie sich neue technische Instrumente und Medien aneignen. Auch die Frage nach sinnvollen und marktüblichen Honoraren, kann hier diskutiert und in Einklang gebracht werden. Doch ist jeder Studiengang an sein Curriculum gebunden, sodass die kreative Arbeit immer nur in einem bestimmten Rahmen möglich ist. Aus diesem auszubrechen ist oft nicht möglich oder nicht erwünscht. Wie groß der kreative Spielraum ist, hängt natürlich von den Lehrbeauftragten und der Universität ab, was bei der Wahl womöglich beachtet werden sollte.

Matthias Baumbach hat studiert, lernte hier aber  wenig über die Praxis als Fotograf: “Mein Studium der Druck- und Medientechnik war eine sehr gute Basis für die technischen Aspekte. Aber die eigentlichen Kernthemen wie z.B. Lichtsetzung, Bildaufbau und der Umgang mit den Menschen, die vor meiner Kamera stehen, habe ich mir durch Coachings, Videotrainings und viele Testshootings in Eigenregie angeeignet.”

Die Frage nach Studium oder Quereinstieg ist auch eine nach den finanziellen Möglichkeiten. Private Hochschulen kosten mitunter richtig viel Geld. Auf der anderen Seite kann auch der Quereinstieg sehr teuer werden, weil es hochwertiges Equipment und professionelle Software braucht. Die staatlichen Unis bilden hier bei vergleichsweise niedrigen Semestergebühren eine gute Möglichkeit, an hochwertige Technik und Software zu kommen, die für die eigenen Projekte geliehen und genutzt werden können. Auch hier lohnt es sich, sich im Vorfeld über die Angebote der jeweiligen Uni zu informieren, da es hier sehr große Unterschiede gibt.

Fachkräftemangel im Gaming-Sektor

Die Kunst- und Kreativbranche ist trotz ihrer Größe nicht so organisiert wie andere Wirtschaftszweige. Auch der Austausch zwischen Lehre und Wirtschaft ist hier nicht sonderlich ausgeprägt. Ein klares Statement gibt es jedoch aus dem Gaming-Bereich. Im Rahmen einer Studie des Verbands der deutschen Games-Branche für das Jahr 2018, wurde ein großer Fachkräftemangel deutlich. Dort heißt es: “Es besteht sowohl ein hoher Bedarf an spezialisierter und hochqualifizierender Ausbildung in Deutschland sowie die Notwendigkeit die Anwerbung und Integration qualifizierter ausländischer Fachkräfte in den Games-Arbeitsmarkt zu erleichtern.” Eine universitäre Ausbildung könnte hier zur Schließung dieser Leerstellen in der Branche beitragen. Zwar gibt es mittlerweile Studiengänge in diesem Bereich, doch müssten diese Strukturen enorm gestärkt werden, damit die deutsche Branche international mithalten könne.

Ob ein Studium sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Denn so vielfältig die Branche ist, so sind es auch ihre Akteure. Was den einen die Tür öffnet, könnte anderen Zeitverschwendung und Verlust der Kreativität bedeuten. Im Lebenslauf macht sich ein Studium sicherlich gut und könnte eine Festanstellung begünstigen. Wer aber lieber eine Laufbahn als Freelancer*in oder Soloselbstständige*r anstrebt, muss nicht zwangsläufig davon profitieren. Sich im Vorfeld die Angebote und Leistungen der Hochschulen genau anzuschauen und auf die eigenen Bedarfe abzuklopfen, ist deshalb besonders wichtig.


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