Popkultur Teil I – Die Kommerzialisierung des Stils

Pop steht für große Namen wie Andy Warhol, The Beatles und David Bowie. Es geht um Massenmedien und Stars, den Einzug der Alltagskultur in die Kunst sowie neue und provozierende Musikformate. Die heutige Kultur- und Kreativwirtschaft würde sicherlich ganz anders aussehen, wenn die Popkultur ausgeblieben wäre. Und das nicht nur ästhetisch, sondern auch gesellschafts- und wirtschaftspolitisch. Denn Pop war auch der Kampf um die Anerkennung der damals sogenannten “niederen” Kulturformate gegenüber der “Hochkultur”. In unserer Popkultur-Serie möchten wir den Begriff durchleuchten und verschiedene Aspekte herausstellen. Im ersten Teil starten wir mit der Kommerzialisierung des Stils und gehen der Subkulturfrage nach.

Popkultur Teil I – Die Kommerzialisierung des Stils

Pop steht nicht nur für die großen Stars wie David Bowie, Michael Jackson oder Madonna. Pop steht auch für das Aufkommen von Jugendsubkulturen wie Punk, Hip Hop und später Techno. Im Zentrum dieser Subkulturen stehen Subversion und Rebellion der Jugend gegen die Elterngeneration und ihre verstaubten Wertvorstellungen. Hier wurden neue Lebensmodelle jenseits der Norm gefeiert und ausgelebt sowie Vorurteile – zumindest in der Theorie – überwunden. Teil einer Subkultur zu sein bedeutete ihren Anhänger*innen mehr Freiheit und Selbstbestimmung. In dieser Rolle war Pop klar links, subversiv und rebellisch.

Heute lässt sich Pop nicht mehr so einfach für diese Zwecke mobilisieren. Was einst subversiv und rebellisch war, ist heute längst akzeptiert und kommerzialisiert. Wer damals zur Jugend gehörte, ist heute erwachsen. Die großen Konflikte wie Identitätspolitik und Klimakrise werden nicht mehr in der Manege der Popkultur ausgetragen. Popkultur ist omnipräsent, an vielen Stellen selbst Norm geworden und die Grenzen zur Politik lassen sich kaum noch ausmachen. So war Trump durchaus subversiv und auf verstörende Weise poppig. Überhaupt sind es heute am ehesten rechte Bewegungen und Communities, die im digitalen Raum gegenkulturelle Züge annehmen wie einst die Pop-Subkulturen.

Kommerzialisierte Rebellion?

© Thought Catalog

Anhand der Subkulturen des Pop lässt sich veranschaulichen, wie es zu Kommerzialisierung und “Normalisierung” bestimmter popkultureller Ästhetiken in den Bereichen Kunst, Musik und Mode kam. Für die Subkulturen war klar, dass sich Rebellion und Kommerz gegenseitig ausschließen müssen, was zu erbitterten Kämpfen um Deutungshoheit führte.

Was die Subkulturen der 60er und 70er Jahre ausgemacht hatte, war ihr Stil. Rebellion wurde nicht nur durch bestimmte Musik ausgedrückt, die bei Außenstehenden und vor allem Älteren Kopfschütteln und Ablehnung verursachte – wie die Sex Pistols im Fall des Punk. Die Musik war nur ein Teil einer Symbolik, die auch Mode, Tanzstile, Sprache und Drogenkonsum beinhaltete und über die subkulturelle Zugehörigkeiten geregelt und nach außen kommuniziert wurden. In den 1960er Jahren kamen in England die Mods auf. Sie hörten nicht nur die Musik von The Who und ähnlichen Bands, sondern zu ihren Markenzeichen gehörten auch Motorroller, schicke Anzüge, Gewaltbereitschaft und der Konsum von Amphetaminen in Pillenform.

All das gehörte zu ihrer Symbolik, in der Rebellion und Kritik zum Ausdruck kamen. Denn alleine hätten die schicken Anzüge diesen Zweck nicht erfüllt und wären eher wenig auffällig gewesen. Doch in Verbindung mit den anderen Aspekten wie Drogenkonsum und Gewaltbereitschaft, bekam der Anzug – eigentlich ein Symbol für Erfolg, Disziplin und Vernunft der herrschenden Klasse –einen anderen Anstrich und konnte die subkulturelle Haltung der Mods und ihrer “Anti-Establishment”-Haltung zum Ausdruck bringen. Eine solche Symbolik wurde damals als Stil bzw. “Style” bezeichnet.

Die Ästhetisierung des Alltags

© davisuko

Auch die Punks hatten einen solchen Stil. Die Musik der Sex Pistols, die zerrissenen Klamotten, der (vermeintlich) besitzlose Lebensstil sowie Metall und Nieten brachte die Anti-Establishment-Haltung zum Ausdruck. Bei den Punks ging es noch stärker um das Moment der Provokation. Kaputte Klamotten sollten nicht nur die ästhetische Dimension von Mode hintergehen, sondern auch deren Symbolik im Sinne der Klassenzugehörigkeit aushebeln. Die krachige Musik der Sex Pistols erfüllte dieselbe Funktion. Im Sinne der Provokation gingen Punks teilweise sogar so weit, dass sie das Hakenkreuz in ihre Symbolik aufnahmen. Nicht aus politischen Gründen, sondern aus reiner Provokation, weil es verboten war und Empörung auslöste.

Bei Pop geht es um Alltagskultur und deren Ästhetisierung. Das begann auch in der Pop Art mit einer Prise Rebellion, wenn Andy Warhol seine Campbell-Dosen oder Roy Lichtenstein seinen Comic-Stil als Kunst deklarieren wollten. Das hat aber nur eine Zeit lang funktioniert. Denn die Empörung wurde schnell von Wertschätzung abgelöst, die den Kunstmarkt auf den Plan rief. Noch zu Lebzeiten genoss Warhol Ruhm, Erfolg und finanziellen Reichtum, wo er durchaus Gefallen dran finden konnte. Heute sind Warhols Werke nur noch Kunst, jedoch keine Rebellion mehr. Ähnliches passiert mit den Werken von Banksy. Egal, wie dieser den Kunstmarkt zu sabotieren versucht, am Ende steht eine Wertzunahme seiner Kunst.

Zwischen Kunst und Marketing

© Mike Dorner

Und der Stil der Punks (von dem Hakenkreuz mal abgesehen), ist Mode geworden. Die zerrissene Jeans wurde von großen Mode-Labels ins Repertoire genommen und kommt in regelmäßigen Intervallen wieder. Auch Nieten und Metall im Gesicht sind nicht mehr Ausdruck einer jugendlichen Rebellion, sondern reine Ästhetik und modische Accessoires. Und als dies geschah, als plötzlich die subkulturelle Ästhetik von der Modeindustrie aufgegriffen wurde, verlor sie für die Bewegung den rebellischen Drive.

Das Potential eines Subkulturellen Stils, egal ob Mode, Kunst oder Musik, wurde schon früh von Run DMC erkannt. Die Hip Hop-Gruppe zeigte sich konsequent in einem lässigen Street-Style. Zu ihrem Markenzeichen gehörte auch der Adidas-Superstar-Sneaker, dem sie einen eigenen Song widmeten: “My Adidas”. Während des Songs sollte das Publikum auf Konzerten seine Sneaker ausziehen und in die Luft halten. Der Sport-Hersteller Adidas erkannte das Potential und schloss kurzerhand den ersten Artist-Deal in der Geschichte ab. Diese Form des Marketing ist heute vollkommen normal und findet sich letztlich auch beim Influencer-Marketing wieder. Run DMC hatte das Prinzip also verstanden, dass sich jeder Stil industriell vereinnahmen lässt, und nutzten dies für ihre eigenen Zwecke; sie wollten an dieser subkulturellen Wertschöpfung beteiligt werden.

Die Geburt der Jugend

Mit den Subkulturen wurde ein neuer Typus von Konsument*innen definiert, den es vor der Popkultur so nicht gegeben hatte: die Jugend. Und da Popkultur für das Überwinden von Normen und dementsprechend für Individualisierung stand, musste die Industrie dieses Verlangen bedienen. Die Stile der Subkulturen waren ideal dafür, weil sie eine Ästhetik mit einer individuellen Haltung verbanden. So ließ sich das, was einst der Rebellion wegen entstanden war, enorm erfolgreich kommerzialisieren.

Was einst noch subkulturell verpönt und von Konflikten begleitet war, ist heute ganz normal für Kreativschaffende aller Teilbereiche. Insofern hat Pop die Kultur- und Kreativwirtschaft stark geprägt.


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