Das deutsche Urheberrecht ist kompliziert. Ganz grundsätzlich schützt es geistiges Eigentum. Im Fall Musik zählen dazu unter einem Titel veröffentlichte Kompositionen, egal ob reine Instrumentalmusik, reiner Gesang, beides zusammen oder einfach nur arrangierte Geräusche, die keiner Harmonielehre im klassischen Sinne folgen. Die Veröffentlichung ist aber kein zwingendes Kriterium. Tatsächlich greift das Urheberrecht bereits dann, wenn ein Stück vor einem Publikum aufgeführt wurde. Würde eine Person aus dem Publikum das Stück aus der Erinnerung aufführen oder veröffentlichen, läge bereits eine Verletzung des Urheberrechts vor. Diese gilt es natürlich nachzuweisen.
In Deutschland liegt das Urheberrecht bzw. das Verwertungsrecht ausschließlich bei den Urheber*innen selbst und kann nicht veräußert werden. In Amerika ist das beispielsweise anders. So konnten die Verwertungsrechte der Beatles von Michael Jackson gekauft werden. Das ginge in Deutschland nicht. Hier können die Urheber*innen aber Nutzungsrechte gewähren. Und da beginnt es dann auch schon, kompliziert zu werden.
Keine Musik ohne Lizenz
Ganz grundsätzlich gilt: Wer Musik hören oder verwenden möchte, braucht dafür die Zustimmung der Urheber*innen. Der Erwerb eines Tonträgers wäre eine solche Zustimmung. Deshalb geht es beim Kauf einer Schallplatte weniger um deren Materialität, als vielmehr um die Abspiellizenz, die es den Käufer*innen erlaubt, das Stück zu hören. Im Fall der Schallplatte ist die Lizenz natürlich an den Tonträger selbst gekoppelt. Geht sie kaputt, erlischt die Lizenz. Im digitalen Raum ist das heute meist etwas anders. Werden digitale Files über iTunes oder Bandcamp gekauft, können diese beliebig oft geladen werden. Die Lizenz wurde quasi unabhängig von der Datei erworben.
In diesem privaten Bereich ist alles noch recht einfach. Meist gibt es ein Label, das die Nutzungsrechte von den Urheber*innen erworben hat und in diesem Zuge die Musik veröffentlichen und vervielfältigen darf. Die Künstler*innen können dies aber auch einfach selbst machen, was über Plattformen wie Bandcamp heute sehr einfach und unkompliziert möglich ist.
Treten die Urheber*innen die Nutzungsrechte an ein Label ab, gibt es drei gängige Vertragsarten. 1) Den Künstlerexklusivvertrag, bei dem die Künstler*innen dem Label die Nutzungsrechte alle zukünftigen Werke gewähren. Dafür werden sie i.d.R. bei der Produktion finanziell unterstützt und bekommen ein Honorar. 2) Den Bandübernahmevertrag, wo ein bereits fertiges Produkt lizenziert wird. Das Label zahlt ein Honorar und verpflichtet sich zur Veröffentlichung der Werke. Heute sehr gängig ist 3) der 360°-Vertrag, bei dem das Label Anteile an allen Einnahmequellen der Künstler*innen wie Konzerte, Merchandising etc. erwirbt.
Kommerziell bedeutet Kompliziert
Kompliziert wird es dann, wenn fremde Musik für öffentlich-kommerzielle Zwecke genutzt werden soll. Dann stehen neben den Urheber*innen und Labels plötzlich auch Musikverlage und Verwertungsgesellschaften auf der Matte.
Musikverlage lizenzieren die tatsächliche Komposition bzw. den ursprünglichen Text eines Musikwerkes. Das wird beispielsweise bei Cover-Versionen relevant. Spielt eine Band auf einem Konzert eine Cover-Version von Daft Punks “Get Lucky”, dann bekommen die Urheber dieses Stückes Tantiemen, die die Band bzw. die Location abführen müssen. Das Label, in diesem Fall Columbia Records, bekommt nichts, da dort nur die Rechte an der Aufnahme liegen, nicht aber an der Komposition selbst. Die liegen in diesem Fall bei den beiden Daft Punk Mitgliedern G.M. de Homem-Christo und Thomas Bangalter sowie bei Pharrell Williams und Nile Rodgers. Alle Vier bekommen Tantiemen, wenn ihre Komposition bzw. der Text öffentlich aufgeführt wird.
Die Verwertungsgesellschaften wie die GEMA vertreten hier die Rechte der Künstler*innen, die bei ihnen Mitglied sind. Sie treiben die Tantiemen ein und zahlen sie an ihre Mitglieder aus. Häufig wird dies aber über die Spielstätten geregelt, die bestimmte Verträge mit der GEMA haben können. Die Musikverlage sind ebenfalls Mitglied bei einer Verwertungsgesellschaft. Sie kümmern sich um die Abrechnung mit der GEMA für alle bei ihnen verlegten Urheber*innen.
Sind mehrere Urheber*innen für ein Stück eingetragen, so können diese von unterschiedlichen Verlagen vertreten werden. Die Verwertungsgesellschaft muss dann die Tantiemen für dasselbe Stück mit unterschiedlichen Verlagen abrechnen. Im Beispiel sind die beiden Daft Punk Mitglieder natürlich beim selben Verlag. Das muss aber nicht für Pharrell Williams gelten.
Ein Song braucht viele Lizenzen
Cover-Versionen dürfen ohne Lizenzierung aufgeführt werden, solange im Anschluss die Tantiemen gezahlt werden. Möchte ich aber eine ganz bestimmte Aufnahme für einen Film verwenden, muss ich herausfinden, wo die Rechte an dieser Aufnahme liegen und diese Lizenz für die Verwendung verhandeln. Hier kommt dann auch das Label wieder ins Spiel, da es die Rechte an der Aufnahme hat.
Die Universal Music Publishing Group ist ein Musikverlag und gibt zur Erklärung ein griffiges Beispiel, das hier übernommen werden soll: Der Song bzw. die Komposition “White Christmas” wurde von Irving Berlin geschrieben, er ist also der Urheber. Die Rechte an dem Song können über den genannten Verlag bezogen werden. Möchte ich die Version von Bing Crosby verwenden, muss ich zusätzlich die Rechte an der Aufnahme lizenzieren, die in diesem Fall bei dem Label Universal Music liegen. Gefällt mir aber die Version von Michael Bublé am besten, brauche ich die Rechte an dieser Aufnahme, die in dem Fall bei Warner Music liegt. Sind wie bei unserem Beispiel mehrerer Urheber*innen unterschiedlicher Verlage involviert, müssen die Rechte individuell bei allen beteiligten Verlagen angefragt und verhandelt werden.
In manchen Fällen kann eine solche Lizenzierung sehr aufwendig sein, da bestimmte Rechte nicht geklärt sind oder Urheber*innen nicht aufzufinden sind. Was eine solche Lizenzierung kostet, hängt ganz davon ab, in welchem Rahmen das Stück Einsatz finden soll. Hier spielen, Dauer, Häufigkeit und Reichweite wichtige Rollen.
Tantiemen im Stream
Auch Streaming-Plattformen müssen erst Lizenzen einholen, bevor sie die Musik on demand anbieten dürfen. Lange Zeit gab es z.B. die Musik von Radiohead nicht bei Spotify, da die Band das Vergütungssystem ablehnte. Da das Urheberrecht bei der Band selbst liegt, konnten sie diese Lizenz verweigern. Mittlerweile hat die Band um Thom Yorke aber nachgegeben und ihre Musik freigegeben.
Die Zeiten des freien Internet sind auf jeden Fall vorbei. Aber noch immer gibt es Plattformen, bei denen keine Abrechnung der Tantiemen stattfinden. Dass sich dies in der Zukunft wohl ändern wird, zeigt das Beispiel um den Streit zwischen der GEMA und YouTube vor einigen Jahren. Die GEMA hatte hier die Interessen ihrer Mitglieder vertreten und Tantiemen von YouTube für die dort gespielte Musik verlangt. Der Streit dauerte mehrere Jahre und wurde teilweise vor Gericht ausgetragen. Lange war nicht geklärt, ob YouTube als Plattform überhaupt für die Inhalte der User*innen haftbar gemacht werden kann. Dies ist mittlerweile geklärt und die Antwort ist ja. Am Ende einigten sich beide Seiten. Nun zahlt YouTube an die GEMA und die Streamer*innen und Content-Creator*innen können die Musik der von der GEMA vertretenen Urheber*innen frei verwenden. Wie viel YouTube bezahlt, ist nicht bekannt.
Ähnliche Einigungen stehen für andere Plattformen noch aus. Twitch verhandelt gerade intensiv mit der US-Musikindustrie. Vielleicht werden ähnliche Kämpfe demnächst auch in Europa geführt, weil viele Streamer*innen Musik verwenden, die aktuell nicht lizenziert ist.
Das Musikrecht ist umfangreich und dies ist nur ein kleiner Überblick, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Über das Thema Film- und Fotorecht lest ihr in unserem Beitrag Das Urheberrecht – Wie Film und Foto geschützt sind.
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