iGroove – Wenn Erfolg kalkulierbar wird

Gegen die finanzielle Unsicherheit bei Musizierenden ist zwar noch kein Kraut gewachsen, aber eine künstliche Intelligenz gibt es jetzt. Diese wurde vom Schweizer Unternehmen iGroove entwickelt und sie prognostiziert den finanziellen Erfolg eines Musik-Releases im digitalen Raum. Auf Basis der erstaunlich genauen Kalkulationen können die registrierten Musikschaffenden relativ risikoarm Vorschüsse für neue Projekte erhalten. Das klingt so richtig nach Zukunft. Wir haben bei dem Unternehmen aus dem idyllischen Schweizer Pfäffikon nachgefragt. Gründer Moris Marchionna hat uns geantwortet.

iGroove – Wenn Erfolg kalkulierbar wird

Für viele Kultur- und Kreativschaffende gehören Unsicherheiten zum Beruf. Oft lässt sich einfach nicht abschätzen, wie viel Geld das Geschaffene einbringen wird. Finanzierungen sind aus genau demselben Grund nicht so einfach zu bekommen und natürlich möchte hier noch jemand an dem Erfolg, wenn er sich denn einstellt, mitverdienen. Förderungen gibt es mittlerweile relativ viele. Aber hier gibt viel Konkurrenzdruck und meist muss das Projekt in zuvor kommuniziertes Konzept passen, von dem in der Umsetzungsphase nur bedingt abgerückt werden darf.

iGroove verspricht zumindest für den Musikbereich Besserung. Die App des Schweizer Unternehmens arbeitet mit einer Künstlichen Intelligenz, die den Erfolg von Musik-Releases prognostiziert. Und das nach eigenen Angaben erstaunlich genau. Auf Basis der Berechnung können registrierte Musiker*innen relativ risikoarm Vorschüsse für ihre Projekte erhalten.

Intransparenz bei den Majors

Hinter iGroove stehen die Gründer*innen Moris Marchionna, Dennis Hausammann und Geraldine Allemann. Gemeinsam haben sie iGroove in 2013 gegründet, weil sie mit der damaligen Infrastruktur für Independent-Künstler*innen nicht zufrieden gewesen seien. Sie alle waren damals auch musikalisch tätig und kannten die Probleme des Business aus erster Hand, wie uns Moris erzählt.

“Es war schwierig außerhalb von dem Major-Label-Kosmos hochwertige Dienstleistungen zu beziehen und an die richtigen Kontakte zu gelangen. Zudem ist die gesamte Industrie sehr intransparent und wir wussten nie genau, ob das alles so stimmt, was uns gesagt wurde. Also entschieden wir uns selbst eine Plattform zu gründen, welche Independent-Künstler*innen hilft ihre Musik zu vertreiben und zu vermarkten.”

iGroove statt Label?

Die drei Gründer*innen von iGroove

Den Kern von iGroove stellt der digitale Musikvertrieb dar. Mit dem Dienst können unabhängige Musiker*innen ihre Stücke auf all die wichtigen Plattformen und in die Shops bringen, ohne an ein Label angedockt zu sein. Außerdem kann iGroove Teile der Vermarktung übernehmen, so wie Playlist-Pitching oder das Bewerben auf Social-Media. Ersetzt iGroove also die Label- und Verlagsstruktur der Musikindustrie? Moris erklärt:

“Die Nutzung einer Plattform wie iGroove ist eine Grundsatzfrage. Wenn Künstler*innen nichts außer die Musik selbst machen, sind sie wahrscheinlich bei einem traditionellen Label besser aufgehoben. Aber umso selbständiger sie sind oder sein möchten, desto spannender ist es für sie mit iGroove zu arbeiten. Viele Künstler*innen wissen, wie sie ihre Reichweite auf den sozialen Medien aufbauen können und wie sie Kontakte knüpfen, um ihre Musik zu realisieren und zu promoten. Wir ergänzen ihre Fähigkeiten und das bestehende Team und dies zu sehr guten Konditionen. iGroove kann Label, Vertrieb und Verlag sein, je nachdem, was vom Künstler benötigt wird.”

Vorschussangebote wie die Großen

Besonders spannend wird iGroove, wenn es um das Thema Vorfinanzierung geht. Denn auch diese bietet das kleine Schweizer Unternehmen an und setzt dafür eine Künstliche Intelligenz ein, die erstaunlich treffend den finanziellen Erfolg eines Releases vorhersagt.

“Wir füttern die KI mit sehr vielen Daten aus unterschiedlichsten Quellen. Z.B. analysieren wir digitale Umsatzverläufe auf den Streaming-Plattformen und erstellen darauf basierend Künstler*innen-Profile. Diese vergleichen wir dann mit ähnlichen Profilen aus unserer Datenbank. Des Weiteren nutzen wir Daten aus den Social Media-Konten und erstellen Wachstumsprognosen, die wir dann erneut mit bestehenden Künstler*innen-Profilen vergleichen können.”

“Damit machen wir machen sehr gute Erfahrungen”, erklärt Moris weiter. “Die Prognosen sind so genau, dass wir bereits ähnliche Vorschussangebote wie die großen Labels machen können, mit dem Unterschied, dass unsere Konditionen deutlich besser sind. Wir wollen nicht diktieren, wie der Deal aussieht, sondern lassen die Künstler*innen diesen nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen. So können sie die Laufzeit, die prozentualen Abgaben und die Songs, die im Deal beinhaltet sind, selbst bestimmen. Die Prognosen, die wir zur Berechnung machen, stellen wir den Künstler*innen zur Verfügung. Es ist uns wichtig, dass sie verstehen, auf welcher Basis wir unsere Berechnungen erstellt haben.

Im Hip Hop verwurzelt

Ein Account bei iGroove muss beantragt werden. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Musik selbst, die professionell und hochwertig produziert sein muss. Stil und Genre spielen fast keine Rolle; nur Klassik wird abgelehnt, da der Markt anders funktioniert und die Prognosen der KI weit weniger genau wären. Die Musiker*innen sollten aber auch schon eine gewisse Reichweite und Material im Umlauf haben, damit die KI auf genügend historische Daten zugreifen und dementsprechend eine genaue Prognose treffen kann. Hier sind die Kataloge von besonderer Bedeutung, sodass Moris Newcomer*innen empfiehlt, zuerst mit anderen Anbieter*innen zu arbeiten, bis genügend Material vorhanden ist.

Musikalisch sind die drei Gründer*innen im Hip Hop verwurzelt. So war auch ihr Netzwerk in diesem Bereich am stärksten und iGroove wuchs zu Beginn im Hip Hop schneller als in anderen Genres. Doch mittlerweile seien es vor allem Künstler*innen aus dem Pop- und Dance-Bereich, die neu bei iGroove einsteigen.

Von der Musik leben können

iGroove möchte Musiker*innen dabei helfen, dass diese “von ihrer Musik leben zu können”. Es bringt sie auf die großen Plattformen und auf die wichtigen Playlists. Den Anschein des Revolutionären bekommt man dann bei der Verbindung aus KI und Vorschusszahlungen. Denn so wird auf beiden Seiten das Risiko vermindert, das eine solche Zahlung normalerweise mit sich bringt.

iGroove nutzt die KI nicht, um den nächsten Hit-Song aufgrund musikalischer und produktionstechnischer Parameter zu bestimmen. Hier geht es um das Profil des*der Künstler*in, die Reichweite und um das Verhalten der Nutzer*innen von digitalen Musikplattformen. Für Newcomer*innen ganz ohne Katalog und Reichweite bringt das natürlich nichts, da sie einfach noch keine Analysegrundlage bieten. Alle anderen könnte iGroove ein wenig Sicherheit bedeuten, was Musiker*innen in diesen Zeiten wohl ganz gut gebrauchen können.


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