Was haben Star-Wars-Schauspielerin Carrie Fisher, Musiker Prince und Schriftsteller F. Scott Fitzgerald gemeinsam? Nicht nur sind sie weltweit bekannte Ikonen in Film, Musik und Literatur, sie sind auch unsterblich. Carrie Fisher starb im Jahr 2016, erschien aber 2019 in „Star Wars: The Rise of Skywalker“. Prince verstarb ebenfalls 2016 und veröffentlichte 2021 das Album „Welcome 2 America“ mit ganzen 12 neuen Songs. F. Scott Fitzgerald fand schon 1940 den Tod, machte aber 2017 mit seinem neuen Roman „I’d Die For You. And Other Lost Stories“ Schlagzeilen. Der Hype um diese „Auferstehung“ toter Künstler*innen ist jedoch umstritten. Den einen geht das Herz auf, während andere auf die Barrikaden gehen. So zum Beispiel Musiker Anderson.Paak, der sich nicht nur negativ über die posthume Ausschlachtung dieser Künstler*innen äußert, sondern sein Statement jetzt auch auf der Haut trägt. Groß prangt auf seinem Arm: „When I’m gone, please don’t release any posthumous albums or songs with my name attached. Those were just demos and never intended to be heard by the public.“
Die Komplexität des urheberrechts
Bevor überhaupt über Richtig oder Falsch diskutiert werden kann, muss geklärt werden, welcher rechtliche Rahmen für posthumes Eigentum angewandt wird. Hinterlässt der*die Künstler*in ein Testament, das spezifische Handlungsvorgaben beinhaltet, kann genau nach diesen vorgegangen werden. Dies ist jedoch nur der Idealfall. Das bekannteste Negativbeispiel hierfür ist Franz Kafka, der in seinem Testament festlegte, dass seine unveröffentlichten Werke von seinem Freund Max Brod verbrannt werden sollten. Dieser kam dem Wunsch nicht nach, was dazu führte, dass der Roman „Der Prozess“ ein Jahr nach Kafkas Tod veröffentlicht wurde. Dies löste jedoch erst Jahrzehnte später einen Streit über Eigentum aus, als Brod bereits selbst verstorben war.
Richtig kompliziert wird es, wenn keine Aufzeichnungen darüber existieren, was der*die Künstler*in für unveröffentlichte Werke nach seinem*ihrem Tod vorgesehen hat. Die Urheberrechte gehen in dem Fall an die nächsten Verwandten des*der Verstorbenen über, jedoch nur für eine begrenzte Zeit von 50 bis 70 Jahren. Bis dahin haben die Erben das alleinige Recht, über die Veröffentlichung, Änderung oder Reproduktion eines Werkes zu bestimmen. Dies ist jedoch nur ein kleiner und allgemeiner Teil des rechtlichen Rahmens. Gesetze sind natürlich von Land zu Land unterschiedlich und werden zusätzlich in Kategorien eingeteilt. Das Urheberrecht für musikalische Werke wird zum Beispiel anders behandelt als für literarische Werke. Was sofort auffällt, ist die große Differenz des Umfangs der gesetzlichen Regelungen zwischen Deutschland und den USA. Während musikalisches Copyright im deutschen Recht nur leicht von den anderen abgegrenzt wird, erstrecken sich die Paragraphen 114 und 115 des „Copyright Law of the United States“ über 60 Seiten. Diese penibel ausgearbeiteten Regelungen sind jedoch verständlich, wenn mit dem Nachlass milliarden-schwerer Prominenter gearbeitet wird.
Eine besondere Situation stellt die Rekonstruktion einer verstorbenen Person mit CGI oder als Hologramm dar, was auch als „Digital Necromacy“ bezeichnet wird. Hier spielt eine Technologie eine wichtige Rolle, die erst im Laufe der letzten Jahre entwickelt wurde und mittlerweile immer öfter Anwendung findet. Ob diese Rekonstruktion erlaubt ist, geht aus dem Testament oder dem Vertrag mit Publikationspartner*innen der verstorbenen Stars, wie Film-Studios oder Labels, hervor. Die Verstorbenen werden auch „Delebs“ genannt, was sich aus der englischen Bezeichnung „Dead Celebrities“ zusammensetzt. Der 2014 verstorbene Schauspieler Robin Williams beispielsweise legte in seinem Testament fest, dass für fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod keine Auftritte oder Sprachaufnahmen von ihm verwendet werden dürfen.
Filmemacher*innen können diese rechtlichen Regelungen jedoch umgehen, wenn sie das Urheberrecht an den in ihren Produktionen auftretenden Charakteren besitzen. Diese existieren unabhängig der involvierten Schauspieler*innen, wodurch die Produzent*innen das Recht haben, die Charaktere nach dem Ebenbild der Stars zu rekonstruieren. Ein Beispiel hierfür ist der Film „Back to the Future“ aus 1985, in dem George McFly von Crispin Glover gespielt wurde. Für die Fortsetzung verlangte der Schauspieler jedoch ein so hohes Honorar, dass stattdessen ein Look-Alike eingesetzt wurde, das mit Gesichtsprothetik gänzlich zu Crispin Glover wurde.
Da es sich um ein vergleichsweise neues Phänomen handelt, sind noch nicht alle Rahmenbedingungen geklärt. Erwartet man heute von Prominenten, ihre Stellungnahme zu einer Rekonstruktion in ihrem Testament oder Vertrag festzulegen, bleibt eine Frage trotzdem im Raum: Was ist mit verstorbenen Prominenten, die keine Möglichkeit der Stellungnahme hatten, da die Entwicklung einer solchen Technik nicht absehbar war?
Ein zweischneidiges Schwert
Wenn es darum geht, wie auf posthume Kunst reagiert wird, lassen sich wie in jeder moralischen Debatte zwei Lager ausmachen. Die eine Seite erfreut sich daran, Werke ihres*r geliebte*n Künstler*in auch nach dem Tod sehen, hören oder lesen zu können. Es ist wie ein Pflaster, das sich über eine schmerzende Wunde legt. Fans können an den Gedanken und Gefühlen teilhaben, die der*die Künstler*in vor dem Tod erlebte. So bewegte das Album „Circles“ von Mac Miller zwei Jahre nach seinem Tod die ganze Welt und schaffte es in etliche Charts. Möglicherweise wird hiermit die im Menschen grundlegende Angst vor dem Tod bewältigt, indem die Hoffnung erweckt wird, auch nach dem Tod noch erinnert zu werden.
Bedeutend lauter scheinen jedoch die Gegner*innen posthumer Kunst. Darunter oft Angehörige, Kolleg*innen oder auch unzufriedene Fans. Vor allem andere Künstler*innen äußern sich kritisch über die Veröffentlichung neuer Werke im Namen eines*r Toten. Dabei wird oft darauf hingewiesen, dass die meisten Künstler*innen viel mehr produzieren, als sie veröffentlichen. Dies liegt keinesfalls daran, dass die Nachfrage nicht besteht, sondern dass nicht jedes Werk für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt sein soll. Ob intime Gedanken, die niedergeschrieben wurden, um die Seele zu befreien, oder ganze Werke, die nicht die gewünschte Qualität hatten.
Es gibt etliche Gründe für Künstler*innen, nicht alles Produzierte zu veröffentlichen. So besteht das Risiko, dem Ruf eines*r Künstlers*in zu schaden, indem die Werke der Künstler*innen für Zwecke eingesetzt werden, die nicht mit deren Image übereinstimmen. Ein Beispiel hierfür ist die Rekonstruktion des 1973 verstorbenen Bruce Lee im Jahr 2013 für Werbezwecke des Johnnie Walker Blue label whiskey. Die Tatsache, dass der Schauspieler zu Lebzeiten keinen Alkohol trank, wurde hierbei gänzlich ignoriert.
Trotz komplizierten Urheberrechten und moralischen Dilemmata ist ein eindeutiger Zuwachs posthumer Kunst auszumachen. Nicht zu missachten ist die Summe an Einnahmen, die dadurch generiert wird. Dieser Markt wurde 2019 auf einen Wert von 2,25 Milliarden Dollar geschätzt und liegt heute mit einer großen Wahrscheinlichkeit sogar noch höher. Wer an tieferen Einblicken in die Thematik interessiert ist, kann sich detaillierter in dem Paper „Bringing the Dead back to Life: Preparing the Estate for a post-mortem Acting Role“ von Ben Laney informieren.
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