Während der Corona-Krise haben Podcasts enorm an Popularität gewonnen. Durchschnittlich wurden über die gesamte Dauer des Lockdown-Jahres 2020 jede Minute zwei neue Podcasts gelauncht. Die Zahl neuer Podcast-Formate stieg von 300.000 in 2019 auf 900.000 an. (Einer davon ist übrigens der Comacon-Podcast.) Dieses vielfältige Angebot hat auch zu mehr Nutzer*innen des Formats geführt. Laut des Convergence Monitor 2021 der AGF Videoforschung steigt die Podcast-Nutzung auch in 2021 munter weiter. Inzwischen geben 17,4 Prozent der Befragten an, mindestens einmal im Monat einen Podcast zu hören. Das ist eine Steigerung von über 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ein Grund für das anhaltende Wachstum sind auch die Investitionen von Spotify im Podcast-Bereich, die neue Tools für die Podcast-Erstellung und deren Monetarisierung ermöglichen. Bereits letztes Jahr hatte das schwedische Unternehmen die Plattformen Anchor und Megaphone übernommen.
Musik und Monetarisierung
Anchor ist vor allem für Content Creator*innen interessant, die Musikformate umsetzen möchten. Denn die Nutzung von kommerzieller Musik unterliegt auch beim Podcast dem Urheber- bzw. dem Vervielfältigungsrecht. Es müssen also Lizenzen eingeholt werden, was nicht nur zeitaufwendig, sondern auch teuer ist und sich demnach für die vielen Hobby-Podcaster*innen schlichtweg nicht lohnen würde. Zwar gibt es Plattformen wie Mixcloud, die sich laut eigener Angabe um die Tantiemen für Künstler*innen kümmern würden. Allerdings gibt es hier keine klare Regelung mit der GEMA, sodass es sich um einen rechtlichen Graubereich handelt. Seit letztem Jahr gibt es einen GEMA-Tarif für Podcasting, der sich nach Abspieldauer der Musik und Abrufzahlen richtet.
Auf Spotify war es bisher nicht möglich, Musik-Talk-Formate herauszubringen. Der “fest & flauschig”-Podcast von Olli Schulz und Jan Böhmermann hatte beispielsweise eine separate Playlist angelegt. Um die Songs wie im Podcast verlangt zu hören, musste dieser umständlich pausiert werden. Mit Anchor ändert sich das. Das Tool erleichtert nicht nur die Erstellung eines Podcasts ohne Musik, sondern es können auch Songs aus dem gesamten Spotify-Katalog in die Sendung eingepflegt werden. Voraussetzungen dafür sind ein höherer Rede- als Musikanteil und dass der Podcast exklusiv auf Spotify erscheint. Um die Songs im Podcast in voller Länge hören zu können, brauchen die Hörer*innen allerdings einen Premium-Account, während sich alle anderen mit kurzen Snippets begnügen müssen. Die Funktion der Musikeinbettung war lange nur in Ländern wie USA und Kanada verfügbar, ist aber seit kurzem auch in Deutschland verfügbar.
Genauso wie die Redebeiträge, Jingles und Songs können in Anchor auch Werbeblöcke eingefügt werden, was die Monetarisierung für die Creator*innen erleichtert. Für das Thema Werbung in Podcasts ist aber der Erwerb von Megaphone noch entscheidender für Spotify. Megaphone kann als Hosting-Plattform ebenfalls Creator*innen bei der eigenen Podcast-Produktion und der Platzierung personalisierter Werbung unterstützen. Es ist aber in erster Linie für Werbetreibende gedacht, die mit der Anwendung ihre Reichweite vergrößern, Werbeinhalte gezielt platzieren sowie datenbasiert skalieren und so Erfolge auswerten können.
Sprache und Beliebtheit
Spotify möchte sich nicht nur auf Musik, sondern generell auf Audio konzentrieren. Insofern ist es folgerichtig, dass sich der Streaming-Dienst im Podcast-Sektor so prominent aufstellt. Begleitet wird das Vorhaben von Spotify Research, die kürzlich eine Studie zum Zusammenhang der verwendeten Sprache und der Beliebtheit eines Podcasts veröffentlichte. Für die Studie wurden 100.000 englischsprachige Episoden ausgewählt und nach bestimmten Kriterien gefiltert, sodass am Ende 5.000 Episoden übrig blieben, die für die anschließende Datenerhebung genutzt werden konnten. Der Untersuchung lag ein Kriterienkatalog zugrunde, der nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch Titel und Beschreibungstexte berücksichtigte.
Wenig überraschend an den Ergebnissen der Studie sind die Rolle der Beschreibungstexte. Längere Texte mit hoher Informationsdichte und vielseitigem Vokabular scheinen mit einer größeren Beliebtheit des Podcasts in Zusammenhang zu stehen, während kurze und wenig informative Texte seltener angehört würden.
Überraschender sind jedoch die Ergebnisse hinsichtlich der verwendeten Sprache im Podcast. Während Podcast-Ratgeber immer zu einer herausstechenden und unverwechselbaren Stimme und Sprache motivieren, zeigt die Studie, dass die beliebtesten Podcasts von einem eher “durchschnittlichen” Sprachgebrauch geprägt seien. Entspricht die Sprache also der des anvisierten Publikums, ist der Erfolg wahrscheinlicher. Schimpfwörter und Fluchen werden derweil als kontraproduktiv bewertet, was hohen Klickzahlen entgegenwirke. Allgemein seien es positive Emotionen, die die User*innen an einen Podcast binde.
Passend zum Credo der Content Creation, „Sei authentisch!“, stellt die Studie die Bedeutung persönlicher Narrative heraus, die von der Verwendung der Pronomen Ich, Du, Wir und Ihr markiert würden. Zwar betont Spotify Research, die Ergebnisse würden nur eine Tendenz abbilden und seien nur bedingt repräsentativ, gibt aber gleichzeitig an, dass die Anwendung des Kriterienkatalogs mit 71 prozentiger Sicherheit den Erfolg einer Episode vorhersagen könne. Allerdings beschränkt sich die Vorhersage darauf, ob die Episode im oberen oder unteren Viertel der Beliebtheit landen wird. Für Werbetreibende dennoch eine nützliche Information.
Podcast-Ökosystem
Spotify schreibt trotz seines enormen Unternehmenswertes noch immer keine schwarzen Zahlen. Daher ist es nur logisch, dass sich die Streaming-Plattform neue Geschäftszweige zu erschließen versucht. Das Wachstum der Podcast-Szene und Spotifys Vorreiterrolle in dem Bereich bieten den denkbar besten Ausgangspunkt, um dieses Ziel unter anderem dort zu verfolgen. So entsteht durch die Zukäufe der genannten Plattformen ein geschlossenes Podcast-Ökosystem mit exklusiven Shows, Produktionssoftware, Hosting-Firma, Anzeigenverkauf und natürlich dem Player.
Die Podcast-Strategie des Streaming-Riesen aus Schweden ist klar: Podcast sollen stärker monetarisiert werden. Nicht nur für die Creator*innen, sondern auch für den Konzern selbst, der mit den neuen Plattformen gezielten Einsatz von Werbung ermöglicht.
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