Die Medienbranche hat ihre Lehren aus der Coronakrise gezogen, aber auch Chancen erkannt und ergriffen. Beim 47. Mediengipfel des media:net berlinbrandenburg in Berlin ist der Umbruch der Gesellschaft wie auch der eigenen Branche unter den Teilnehmenden durchaus zu spüren. Die Medienbranche ist sich ihrer Verantwortung sehr viel bewusster als noch vor der Coronakrise. Das wurde am Montagabend schon an dem Motto „The Day After“ deutlich.
Doch es wurde nicht nur ein Blick auf das vergangene Jahr unter der herrschenden Pandemie geworfen. Für das media:net berlinbrandenburg war es das 20. Jubiläum, das am Abend gebührend gefeiert wurde. Neben der Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführerin Jeannine Koch begrüßte Helge Jürgens, Geschäftsführer New-Media-Förderung des Medienboard Berlin Brandenburg, die rund 200 geladenen Gäst*innen vor Ort. Hier war auch der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Schiphorst von der Partie. Via LIVE-Übertragung im Fernsehen auf ALEX Berlin war es auch Zuschauer*innen von zu Hause aus möglich, die Veranstaltung zu verfolgen.
Medienstandort Berlin
Helge Jürgens fasste die Entwicklung seit der Gründung des media:net berlinbrandenburg treffend zusammen: „Unser Medienstandort hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Hauptstadtregion entwickelt.“ Wer das media:net berlinbrandenburg kennt, weiß, dass der Netzwerk-Verein der Medien-, Kreativ- und Digitalbranche dafür bekannt ist, die Medienbranche miteinander zusammenzubringen und kontinuierlich zu stärken. Von den Mitgliedsunternehmen wird das immer dankend angenommen. So auch beim diesjährigen Mediengipfel in Berlin. Die anwesenden Gäst*innen bekamen einen spannenden Einblick in den Umbruch der Medienbranche und die Missstände, mit der die Branche zu kämpfen hat. Immer im Fokus des Gesprächs: Aufklärung, Wissenstransfer und Transparenz, die der Verantwortung von Medienunternehmen gegenüber der Gesellschaft obliegen.
Passend zum Umbruch wechselte dieses Jahr die Führung des media:net berlinbrandenburg. Jeannine Koch ist seit Januar 2021 CEO des Netzwerk-Vereins und mit Leidenschaft und Engagement in ihre neue Rolle geschlüpft. Als Direktorin der republica GmbH verantwortete Jeannine die re:publica Berlin, sowie zahlreiche analoge und digitale Konferenzen im In- und Ausland. Beim media:net berlinbrandenburg konzentriert sie sich auf die Erweiterung des Netzwerkes und die Schaffung neuer digitaler und analoger Plattformen, Formate und interdisziplinären Vernetzungsmöglichkeiten. Wer mehr über Jeannine Koch erfahren möchte, sollte unbedingt in den Comacon-Podcast mit ihr reinhören. Unter ihrer Führung soll in den kommenden Jahren sdas Netzwerk weiter wachsen, genau so wie die Vielfalt der Medien.
Über den derzeitigen Stand der Medienbranche gaben die Panelist*innen interessante und aufschlussreiche Einblicke. Mit Hilfe seines Gesprächsleitfadens „Der Versuch der Bestandsaufnahme was getan werden muss, um journalistische Glaubwürdigkeit und Vielfalt, gesellschaftliche Teilhabe und soziale Einheit zu garantieren“ führte Volker Wieprecht durch den Abend. Der Moderator stellte durch seine langjährige Erfahrung als Journalist, Autor und Unternehmer den Panelist*innen genau die richtigen Fragen. Und die Auswahl der Panelist*innen hätte vielfältiger kaum sein können.
Düzen Tekkal – Journalistin und Menschenrechtsaktivistin
Khesrau Behroz – Autor & Host des Podcast „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“
Eva Flecken – Direktorin Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)
Das Geschichten erzählen ist ein Reichtum
Unsere Medien bilden nach wie vor zu wenig die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft ab. Trotz Fortschritten braucht es noch mehr Erzählungen bunter Lebensbilder, die uns die verschiedenen Teile unserer Gesellschaft zeigen. „Als Journalistin habe ich vor allem gelernt, dass ich einem Informationsziel folgen muss. Und dass es immer sehr viel Ängste gab um das Thema Emotionen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass vieles von dem, was wir heute machen, deshalb auch so erfolgreich ist, weil wir einem emotionalen Ziel folgen und einem Informationsziel,“ betonte Düzen Tekkal. Khesrau Behroz sieht auch in den aktuellen Herausforderungen der Medien eine Chance, Veränderungen in der Branche anzustoßen. „Journalismus ist derzeit so gut, weil er so gut gefordert wird„, sagte er uns nach der Veranstaltung. Gerade weil der Journalismus viel mit Desinformation und Fake News zu kämpfen hat, ist er gefühlt überpräsent und lässt zunehmend mehr diverse und vielfältige Stimmen zu Wort kommen.
Auch der Generationswechsel hat einen Einfluss auf die öffentliche Debatte. Jüngere Generationen ergriffen eher das Wort und gingen mit ihren Geschichten nach draußen, als es ältere Generationen bisher getan hätten, beobachtet Düzen Tekkal. Doch um die Geschichten authentisch erzählen zu können, rückt ein weiterer Missstand in den Vordergrund. Ein Problem, das immer wieder – auch von den Panelist*innen – thematisiert wird, ist die Diversität in den Medienanstalten Deutschlands. Um unsere Gesellschaft und die facettenreichen Geschichten einzelner Personengruppen in den Medien erzählen zu können, ist eine Diversität in den Medienanstalten unabdingbar. Den Erfahrungen von Düzen Tekkal und Khesrau Behroz nach sind die Medienanstalten noch nicht am Ziel, aber bereits auf einem guten Weg.
um Gegen Desinformation vorzugehen bedarf es mehr Journalismus
Noch nie war der Journalismus so gut wie gegenwärtig. Er hatte allerdings auch noch nie mit so vielen Windmühlen zu kämpfen. Khesrau Behroz meint, dass wir, wenn wir die Welt in der wir leben verstehen wollen, unseren Blick 20 Jahre zurückwerfen müssen. Es ist wichtig zu verstehen, wie der Weg aussah und den Fokus nicht nur auf das Ergebnis zu richten. In seinem Podcast „Cui Bono- WTF happened to Ken Jebsen?“ zeichnet er die Entwicklung vom erfolgreichen Radiomoderator zum Verschwörungstheoretiker nach. Journalistisch eine Herausforderung. Aber genau das ist es, was guten Journalismus ausmacht. Hinterfragen und Desinformationen aufdecken.
Die Bekämpfung von Desinformation ist auch eine der Aufgaben der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Die Direktorin der mabb, Eva Flecken, war zuletzt als Vizepräsidentin für den Bereich Regulierung und Jugendschutz sowie Politik für den deutschsprachigen Raum bei Sky zuständig. Was Eva Flecken beobachtet, ist vor allem die besondere Lautstärke in den sozialen Medien. Die Vielschichtigkeit der Meinungen führe dazu, dass der eine oder die andere glaubt, besonders „laut“ werden zu müssen, um gehört zu werden. Meist handele es sich um rabiate Vorwürfe, die im analogen Raum nie zur Aussprache kommen würden. Hier braucht es eine Regulierung. Regulierung und Förderung sollten Hand in Hand gehen und für ein Verstehen in den Medien sorgen, um die Glaubwürdigkeit in den Medien auch nach der Coronakrise zu gewährleisten bzw. zu stärken, meint sie.
Hinterfragen und widersprechen
Wie fragil und störungsanfällig ein demokratisches System wie das deutsche sein kann, brachte die Coronakrise zum Vorschein. The Day After muss das Vertrauen der Gesellschaft in den Journalismus wieder herstellen und stärken. Die Medienbranche hat die wertvolle Aufgabe, unsere Gesellschaft zu informieren und ihre Vielschichtigkeit abzubilden. Glaubwürdig. Nachhaltig. Transparent. Sie muss sich das Vertrauen der Gesellschaft verdienen. Und das bedeutet für die Medien ein ganzes Stück Arbeit und Veränderung, was durch die Verbreitung von Fake News und Desinformationen erschwert wird.
Die Medienbranche arbeitet daran, sich das Vertrauen der Gesellschaft zu verdienen. Durch guten Journalismus und ein – noch zu wenig – diverses Abbild unserer Gesellschaft. Aber auch jede*r Einzelne, der Social Media nutzt, kann einen Teil dazu beitragen Fake News zu stoppen und die Arbeit von seriösem Journalismus unterstützen. Hinterfragen, selbst recherchieren, widersprechen. Aber vor allem nicht alles glauben, was im WWW gepostet wird.
Den ganzen Talk gibt es hier zu sehen.
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