Der deutsche Gamesmarkt und seine Entwicklung

Wir sprachen mit Dang-Stefan La Hong (Lead Community Manager bei Bigpoint) und Maurice Alain Hagelstein (Co-Founder und Game Director bei Tiny Roar) über die Entwicklung des deutschen Gamesmarktes in den vergangenen 10 Jahren.

Der deutsche Gamesmarkt und seine Entwicklung

Der Gamesmarkt in Deutschland wächst in den letzten Jahren kontinuierlich und ist der umsatzstärkste Markt in Europa. Er ist wesentlich diverser und spannender geworden. Wir haben in Deutschland 34,3 Millionen Gamer, wobei das Durchschnittsalter bei 37,5 Jahren liegt und wir einen ziemlich ausgewogenen Genderschnitt mit 48% weiblichen Spielern haben. Das rückt vieles noch einmal in eine völlig neue Perspektive.

Sogar die Politik hat entsprechend reagiert und Fördermittel für die Gamesbranche im Bundeshaushalt für 2020 berücksichtigt und erstmals ausgeschüttet. Hier hinkte Deutschland anderen Ländern hinterher. Aufgrund der sinkenden Beschäftigungszahlen und der geringer werdenden Anzahl an erfolgreichen Titeln deutscher Spiele-Entwickler, ist dies ein wichtiges Signal an die Branche, besonders für junge, neu gegründete Spieleschmieden.

Wir fragten Dang-Stefan La Hong (Lead Community Manager bei Bigpoint) und Maurice Alain Hagelstein (Co-Founder und Game Director bei Tiny Roar) über die Gamesmarkt-Entwicklung der letzten 10 Jahre in Deutschland.

 

Guten Tag Herr La Hong und Herr Alain Hagelstein. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen. Gerne würden wir von Ihnen wissen, wie sich der Gamesmarkt in Deutschland in den letzten 10 Jahren aus Ihrer Sicht entwickelt hat?

Dang-Stefan La Hong

Dang-Stefan La Hong (Bigpoint): Die Spielerstruktur im Gaming hat sich entscheidend geändert. Mittlerweile spielen sowohl weibliche als auch männliche Personen zu nahezu gleichen Anteilen. Jeder zweite Deutsche ist ein Gamer.

Das Wachstum lag in den vergangenen Jahren deutlich im Bereich der Smartphones und Konsolen, während besonders im PC-Gaming ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist, in geringerem Maße auch bei Tablets und Handhelds.

Auch das Kaufverhalten hat sich im letzten Jahrzehnt geändert. In-Game-Käufe sind insbesondere bei Mobile Games der größte Umsatztreiber, während sich der Trend bei Konsole und PC hin zu Abonnements wie bspw. dem Xbox Game Pass von Microsoft und PlayStation Plus von Sony entwickelt. Nicht zuletzt ist dieser Trend bei amazon zu sehen. So hat amazon erst kürzlich sein Spieleangebot in den Vordergrund gerückt und in sein Prime-Abonnement integriert, ohne dass man den Umweg über die konzerneigene Marke Twitch gehen muss.

Maurice Alain (Tiny Roar): Ganz genau. Außerdem ist es endlich in der Gesellschaft – aber auch in der Politik – angekommen, dass Spiele nicht nur Trainingslager für künftige Amokläufer oder Süchtige sind, sondern vielmehr die einzige Medienbranche ist, die seit über 10 Jahren Wachstum verzeichnen kann und in viele andere Bereiche wie die Automobil-Industrie überschwappt. Stichwort: Gamification/Serious Games.

Gab es früher noch die drei deutschen Säulen Wirtschafts-Sim, Browsergame und Markenramsch, kann Deutschland dank der vielen neuen (Indie) Studios inzwischen ein sehr diverses Portfolio an Spielen vorweisen. Dafür muss man sich nur Games wie Orwell, Lost Ember oder Bomb Bots Arena anschauen.
Das ist u.a. deswegen möglich, da Engines wie Unity und Unreal kostenfrei zugänglich sind und der Erfolg der großen Studios vielen mehr Mut macht, ihr eigenes Abenteuer zu wagen und dabei vieles anders zu machen.

 

Welche Entwicklungen stehen der Branche bevor?

Dang-Stefan La Hong (Bigpoint): Insbesondere Game-Streaming könnte zukünftig eine größere Rolle spielen. Die Vorteile hierfür liegen auf der Hand. Der Konsument muss nicht ständig seine Hardware aufrüsten, um in den Genuss aktueller Spieletitel zu kommen.

Allerdings ist gerade in Deutschland, wo es noch einen großen Nachholbedarf beim Ausbau von schnellen und stabilen Internetanschlüssen gibt, aktuell noch nicht die ideale Infrastruktur für diesen Markt vorhanden. Zudem lässt bei den aktuellen Anbietern die Auswahl an attraktiven Spieletiteln noch zu wünschen übrig. Wachstumspotenzial ist aber allemal vorhanden.

eSports dürfte weiter auf dem Vormarsch sein. Schon jetzt füllen eSports-Veranstaltungen große Hallen und sind im Fernsehen mit eigenen Formaten präsent, online so oder so schon seit geraumer Zeit. Bundesliga-Vereine haben eigene eSports-Abteilungen und spielen Meisterschaften aus. Im Motorsport wurde unlängst die Hyraze League angekündigt, eine neue Rennserie ab 2023, in der reale Rennen in Wasserstoof-Boliden mit eSports-Rennen kombiniert und um Punkte gefahren werden sollen.

Mit der Veröffentlichung der Oculus Quest ist Facebook im letzten Jahr ein entscheidender Schritt im VR-Gaming gelungen. Galt VR-Gaming der Elite vorbehalten, da ein leistungsfähiges PC-Setup und auch die Anschaffung einer VR-Brille ein kostspieliges Unterfangen im unteren vierstelligen Bereich vonnöten machte, gibt es nun mit der Quest ein Standalone-Device für unter 500 Euro, welches noch dazu die Möglichkeit bietet, sich frei im Raum bewegen zu können, ohne durch eine Kabelverbindung in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Die Entwicklung im VR-Segment ist auf jeden Fall spannend, steckt aber vergleichsweise noch in den Kinderschuhen.

Maurice Alain (Tiny Roar): 

Maurice Alain Hagelstein

Dank der Spieleförderung des BMVI und der vielen lokalen Förderrunden, können immer mehr Spiele entwickelt und neue Studios gegründet werden. In Deutschland spielen wir seit Jahrzehnten Catch-Up mit den anderen Ländern, während wir aber einen Felsen gekettet wären. In den “Konkurrenzländern” unterstützt die Region schon seit Jahren die Entwicklung von Games. Jetzt können wir endlich anfangen aufzuholen. Immerhin sind wir einer der wichtigsten Absatzmärkte für Games weltweit, fahren aber weniger als 10% zurück nach Deutschland. Das muss und wird sich hoffentlich bald ändern. Darüber hinaus haben wir einen unglaublichen Anstieg an Brancheninteressierten, die einen Job in der Branche suchen. Das heißt auch, dass wir mehr verschiedene Perspektiven und Denkanstöße in Teams vorfinden, was letztendlich den Projekten zugutekommt.

Games sind außerdem, auch wenn man aufgrund der Angst, es sich mit gewissen Märkten zu verscherzen, sehr politisch. Games-Entwickler sind leidenschaftlich und interessieren sich für weitaus mehr als nur Popkultur. Die gesammelten Impressionen der Entwickler finden sich immer wieder in ihren Projekten wieder und transportieren diese Gedanken in die Haushalte. Schaut man sich an, wie ängstlich (inzwischen gefeuerte) Middle Manager waren, Heldinnen auf Spielecover zu drucken, die keinen Doppel-D-Ausschnitt liefern und wie erfolgreich trotzdem Spiele mit Queer-Protagonisten sind, die mit moralischen Fragen konfrontiert werden und zum Nachdenken anregen, ist klar dass Games nicht nur Grundrauschen verursachen.

Vielen Dank an Herrn La Hong und an Herrn Alain Hagelstein für dieses spannende Interview!


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