Tiny Crocodile Studios – Familienfreundliche Games aus Berlin

Die Reputation von Computer- und Videospielen hat sich enorm gewandelt. Heute sind sie als Kulturgut und Wirtschaftsfaktor anerkannt und erfreuen sich stabiler Förderstrukturen durch Bund und Länder. Davon profitiert auch der Games-Standort Berlin, an dem sich immer mehr Unternehmen aus der Branche ansiedeln. Seit 2016 gehören auch die Tiny Crocodile Studios dazu, die sich familienfreundlichen Games verschrieben haben und mit ihrem Launch-Titel „Monkey Swag“ den Computerspielpreis für bestes Kinderspiel bekommen haben. Die Gründerin Johanna Janiszewski entdeckte schon als Jugendliche ihre Leidenschaft für die Spieleentwicklung. Dass sie diese tatsächlich als Beruf ergreifen würde, war damals kaum vorstellbar. Im Interview erzählt sie uns, wie es trotzdem dazu gekommen ist, was sie zur Gründung bewegt hat und warum Repräsentation von Diversität in Games so wichtig ist.

Tiny Crocodile Studios – Familienfreundliche Games aus Berlin

In den letzten Jahren ist viel passiert in Sachen Games in Deutschland. Die Politik hat die Bedeutung des Wirtschaftszweiges endlich erkannt (oder hingenommen) und die Fördersummen erheblich angehoben, um die Branche auch international wettbewerbsfähig zu machen. Laut Koalitionsvertrag der neuen Regierung sollen diese Strukturen in den nächsten Jahren noch weiter ausgebaut werden. Von den Förderungen profitieren auch die Tiny Crocodile Studios aus Berlin, die 2016 von Johanna Janiszewski gegründet wurden. Mit dem Launch-Titel “Monkey Swag” hat das kleine Indie-Studio gleich den Deutschen Computerspielpreis für das beste Kinderspiel abgeräumt und konnte sich auch dadurch gut etablieren. Wir haben mit der Entrepreneurin Johanna über die Gründung und ihren Werdegang in der deutschen Games-Branche gesprochen. Leider geht es dabei auch um Diskriminierung und sexuelle Belästigung.

“Ich habe natürlich Spiele gespielt, aber ich habe mir keine Gedanken gemacht, wo die eigentlich herkommen.“

Johanna Janiszewski

Obwohl Johanna schon mit 13 Jahren zu programmieren begann und großen Spaß daran hatte, an ihrem eigenen Point-and-Click-Adventure zu basteln, entschied sie sich nach dem Abitur für ein Studium der Landschaftsarchitektur. Das hatte aber weniger mit ihrem Herzen als vielmehr mit Pragmatismus zu tun. Denn ihr Herz hing an der Spieleentwicklung, die zu dieser Zeit aber noch nicht in dem Rahmen an den Universitäten stattfand wie heute. Darüber hinaus kam es Johanna aber auch gar nicht in den Sinn, dass es sich beim Game-Design tatsächlich um einen Beruf handeln könnte. “Ich habe natürlich Spiele gespielt”, erzählt sie im Interview, “aber ich habe mir keine Gedanken gemacht, wo die eigentlich herkommen. Witzigerweise war für mich sofort klar, dass ich das Programmieren für Spiele nutzen möchte. Dass das aber mehr als ein Hobby sein könnte, die Verbindung kam mir einfach nicht.”

Schnelllebig und unsicher

Erst eine Jobausschreibung zur Game-Designer*in in einem Magazin über Spieleentwicklung brachte Johanna auf diese Idee. Auf die Bewerbung folgte die Zusage und sie konnte ihr Studium abbrechen.

“Da die Games-Studiengänge sich damals noch nicht wie heute etabliert hatten, waren die Einstiegshürden vergleichsweise gering. Natürlich wurde Erfahrung verlangt, aber die hatte ich ja. Darüber hinaus war einfach nur Kreativität gefragt. Ich glaube, ich hatte damals ziemlich großes Glück, gleich nach dem Studium einen bezahlten Job zu bekommen, und nicht viele unbezahlte Praktika machen zu müssen, wie es vielen anderen ergangen ist.”

„Wenn das alles ohnehin so unsicher ist, dann kann ich es auch selber machen.“

Johanna bezeichnet sich selbst als Gameplay-Designerin. Sie arbeitet also nicht an der Optik eines Spiels, sondern auf der technischen Seite, wo es um Spielmechaniken und technische Machbarkeiten geht. Für die Ästhetik der Tiny Crocodile-Games ist hingegen Johannas Kollege und Ehemann Mario zuständig, mit dem sie Tiny Crocodiles gemeinsam gegründet hat.

Die Games-Branche ist schnelllebig und ist von großen Unsicherheiten geprägt, wie Johanna selbst erfahren musste: “Große Firmen haben ihre Entlassungswellen und kleine Studios gehen gefühlt alle paar Jahre Konkurs. Das gehört irgendwie dazu. Das ist auch meinem Arbeitgeber passiert. Die Firma ging pleite und aus den Resten wurde eine neue gegründet, die dann auch wieder einging. Ich dachte mir dann, wenn das alles ohnehin so unsicher ist, dann kann ich es auch selber machen und habe so wenigstens etwas mehr Kontrolle und kann meine eigenen Entscheidungen treffen.”

Frauen waren nicht die Zielgruppe

Doch diese Unsicherheiten waren nicht der einzige Grund, der Johanna letztlich zur Gründung der Tiny Crocodile Studios geführt hat: “In der Games-Branche habe ich zum ersten Mal erfahren, was es heißt, diskriminiert zu werden. Da habe ich vorher immer sehr viel Glück gehabt. Du bekommst dann immer diese Komplimente, wie toll es sei, als Frau in der Spielebranche zu arbeiten und dass du etwas Besonderes seist. Gleichzeitig wirst du sexuell belästigt und niemals so respektiert wie die männlichen Kollegen. Es war einfach nur grauenvoll.”

Dieses männerdominierte und häufig frauenfeindliche Setting am Arbeitsplatz verlängerte sich auch in die Spiele selbst hinein. Weibliche Charaktere spielten meist nur Nebenrollen in den Games und litten unter den sexistischen Darstellungen ihrer männlichen Schöpfer. “Wenn du dir die Charaktere in den Games anschaust, gerade auch die weiblichen, dann rollen sich dir die Fußnägel hoch. Und wenn ich damals was dagegen gesagt habe, dann hieß es nur, ‘Du bist ja nicht die Zielgruppe!’”

„Repräsentation ist das Wichtigste. […] Selbst meine Oma hat gezockt.“

In den letzten Jahren ist hier ein positiver Trend zur Veränderung auch in der Games-Branche zu beobachten, auch wenn noch immer sehr viel zu tun ist. Unter den Spielenden ist das Geschlechterverhältnis mittlerweile ausgeglichen. Die in der Games-Branche beschäftigten Frauen sind jedoch noch immer hoffnungslos in der Unterzahl. Und auch Johanna, die unbedingt ein diverses Team mit Tiny Crocodile aufbauen möchte, kennt das Problem zu weniger Bewerbungen, die nicht in das “Cis-White-Male”-Profil passen. Kurzfristig funktionierende Lösungsansätze sind rar. Johanna setzt auf Repräsentation.

“Repräsentation ist das Wichtigste. Ich hatte damals eine weibliche Informatiklehrerin und ich glaube, sie war der Grund, warum ich damals mit dem Programmieren begonnen habe. In der Familie habe ich meiner älteren Cousine immer beim Spielen zugeschaut und selbst meine Oma hat gezockt. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich mich vielleicht nie dafür interessiert. Die Vorbildfunktion ist glaube ich viel wichtiger, als wir uns das vorstellen. Diese versuche ich nun selbst einzunehmen und gebe z.B. Workshops zum Girlsday, um den Mädels zu zeigen, dass sie das auch können, wenn sie möchten. Darüber hinaus versuche ich präsent zu sein und gebe Interviews wie dieses hier. Das ist natürlich eine Mehrfachbelastung und kostet Zeit und Kraft. Aber ich mache es gerne, weil es so unglaublich wichtig ist!”

Lernspiel mit Swag

Szene aus „Monkey Swag“ – © Tiny Crocodile Studios

Der Launch-Titel von Tiny Crocodile war “Monkey Swag”, ein Lernspiel, mit dem das Studio den Deutschen Computerspiele-Preis für das beste Kinderspiel abräumte. Die Charaktere sind paritätisch besetzt, ohne dabei das Thema Geschlechtergerechtigkeit “an die große Glocke zu hängen”, wie Johanna erklärt. Die Spielidee sei noch ohne kommerzielle Hintergedanken entstanden.

“Die Gründung kam erst hinterher. Ich wollte einfach erstmal an einem eigenen Spiel schrauben und meine eigenen Ideen umsetzen. Ich habe es dann bei einer “Talk & Play”-Veranstaltung in Berlin vorgestellt und sehr positives Feedback erhalten. So konnte ich auch Kontakt zum Medienboard BerlinBrandenburg knüpfen, die Monkey Swag neben dem Publisher USM dann auch gefördert haben. Die Firmengründung war zu Beginn aber nur ein Standbein, auf dem ich erst seit kurzem vollständig stehen kann. Vorher habe ich mich vor allem mit Freelancing und Workshops über Wasser gehalten. Aber für Tiny Crocodile war Monkey Swag ein großer Türöffner, der gezeigt hat, was wir machen, und uns so viele Anfragen für Lernspiele gebracht hat.”

Im Interview hebt Johanna die Bedeutung der Förderung für die Games-Entwicklung hervor, ohne die es meist gar nicht möglich wäre, ein Spiel zu produzieren. Denn die Kosten für die Spieleentwicklung sind enorm hoch und für kleine Indie-Studios anders kaum zu stemmen. Trotz des positiven Feedbacks habe “Monkey Swag” nicht genug Geld eingespielt, gibt Johanna zu, was aber auf dem überschwemmten Games-Markt nicht ungewöhnlich sei. Auch deshalb macht sie mit Tiny Crocodile aktuell ausschließlich Auftragsarbeiten wie z.B. für das Labor für Politik und Kommunikation (“Race Against Corruption”) oder das Museum Neuruppin (“Theodor”). Da das Thema Bildung in Games zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Bedarf an solchen Lernspielen enorm gestiegen. Für Studios wie Tiny Crocodile sind solche Auftragsarbeiten eine große Erleichterung, da die Finanzierung schon im Vorfeld gesichert ist.

“Geht den Frauen* entgegen; die sind schon extrem mehrfach belastet!”

Der Anspruch des Studios an seine Spiele ist Familienfreundlichkeit. Johanna gefällt der Gedanke, dass die ganze Familie ein Spiel gemeinsam Spielen und Spaß daran haben kann. “Vielleicht lernt dann auch die Oma noch was über Geometrie”, sagt sie scherzhaft in Bezug auf “Monkey Swag”. Auch möchten sie sich in Zukunft weiter der Repräsentation von Diversität in den eigenen Spielen widmen und sich hier selbst weiter sensibilisieren.

Die Tiny Crocodile Studios mit ihrer Gründerin Johanna sind ein wunderschönes Beispiel für den Wandel der Games-Branche. Auch wenn dieser aktuell eher in der von Johanna sogenannten Indie-Bubble stattfindet, setzt diese wichtige Signale und gibt Hoffnung für die Zukunft einer männerdominierten Szene und Branche. Zum Abschluss richtet sie noch einen Appell an ihre Branche und auch an uns als Comacon: “Geht den Frauen* entgegen; die sind schon extrem mehrfach belastet!”


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