Super Mario for Living – Interview mit Dennsen86

Dennsen86 ist seit sechs Jahren als Gamer auf twitch unterwegs und damit ziemlich erfolgreich. Sein Steckenpferd sind Speedruns des alten SNES-Klassikers Super Mario World. Jedoch nicht in der Original-Version aus dem Jahre 1990, sondern in selbstgebauten und wahnsinnig kreativen Hacks des Spiels aus der internationalen Kaizo-Mario-Community. Das ist nicht nur nerdig, das ist auch lukrativ. Denn der Twitch-Partner aus dem Ruhrpoot hat über 63.000 Follower*innen und zählt im Schnitt 4.000 monatliche Abos für seinen Kanal. Für den gelernten Sozialpädagogen ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Wir haben mit Dennsen über seinen Werdegang, die deutsche Speedrun-Szene und seinen Erfolg als Content Creator auf twitch gesprochen. Das Nerd-Klischee erfüllt der sympathische Ruhrpottler allerdings nicht.

Super Mario for Living – Interview mit Dennsen86

Als der Klassiker Super Mario World 1990 von Nintendo auf dem europäischen Markt veröffentlicht wurde, hießen Games noch Videospiele und wurden hinsichtlich ihrer negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen diskutiert. Dennsen86 hieß damals noch Dennis Geißler und war 4 Jahre alt. Wie viele andere zog auch ihn die bunte Jump-N-Run-Welt vom schnurrbärtigen Super Mario in ihren Bann und ließ ihn davon träumen, Gaming später mal als Beruf zu haben. In den 90ern war es ein Traum ohne reale Anknüpfungspunkte.

Heute können Gamer*innen Millionen verdienen, wie kürzlich der Leak bei der Plattform twitch all denjenigen offenbarte, denen das Business-Modell bisher fremd war und irgendwie aus einer anderen Welt zu kommen schien. Auch Dennsen86 ist auf twitch unterwegs, allerdings (noch) kein Millionär. Doch auch er gehört zu den Glücklichen, die sich mithilfe der Plattform ihren Kindheitstraum erfüllen konnten. Seit einigen Jahren kann der 35-Jährige aus Essen von seinen Streams richtig gut leben. Und dabei spielt er gar nicht die wirklich großen Spiele wie Grand Theft Auto, League of Legends oder Minecraft, die millionenfach angeschaut werden. Dennsen spielt vorwiegend den Klassiker Super Mario World. Jedoch nicht in dessen ursprünglicher Version; er spielt sogenannte Kaizo-Hacks.

Content an der Grenze des Machbaren

Die Kaizo-Szene ist so kreativ wie sie nerdig ist. Die Fans bauen eigene Versionen, sogenannte Hacks des Klassikers und bieten diese zum Download an. Die Hacks sind liebevoll designt und hinsichtlich des Levelaufbaus und neuer Spielemechaniken enorm kreativ. Oft stecken hier viele Monate oder gar Jahre an Arbeit drin. Was Kaizo aber vor allem auszeichnet und so interessant für Content Creator*innen wie Dennsen und so spannend zum Zuschauen macht, ist der Schwierigkeitsgrad; die Hacks bewegen sich nicht selten an der Grenze des Machbaren. Auch in Deutschland erfreut sich die Szene stetig wachsender Aufmerksamkeit.

Das Schöne an Super Mario World ist, dass man schnell einen Zugang dazu findet. Die meisten haben das mal gespielt und können einschätzen, wie schwer das ist, was ich da mache, und es dementsprechend wertschätzen. Manchmal ist das ja bei Speedruns so, dass man gar nicht versteht, was da eigentlich schwer dran ist.”

Bei einem Speedrun wird ein Game so schnell wie irgend möglich durchgespielt. Und es ist wirklich erstaunlich, wie schnell das teilweise möglich ist. Für jedes Game gibt es verschiedene „Runs“ mit individuellen Regeln, die auf speedrun.com festgelegt werden. Dort werden auch die Bestenlisten geführt. Um eine Zeit eingetragen zu bekommen, müssen die Gamer*innen einen Video-Nachweis des Runs einreichen. Auch das macht den Reiz des Zuschauens auf twitch aus: mit etwas Glück lässt sich ein neuer Weltrekord miterleben.

Das richtige Spiel zur richtigen Zeit

Kaizo ist nicht gleich Speedrun, aber ein fester Bestandteil der Szene. Die Hacks werden häufig in Hinblick darauf gebaut, von erfolgreichen Gamer*innen wie Dennsen „gespeedrunt“ zu werden. Auch er hält den ein oder anderen Weltrekord auf speedrun.com. Zu Beginn ging es allerdings noch um etwas ganz anderes.

Als ich vor sechs Jahren meinen Kanal auf twitch startete, war ich noch als Sozialpädagoge tätig und streamte nur ein, zwei Mal die Woche nach der Arbeit. Damals ging es um Super Mario Maker, ein Spiel von Nintendo, wo Leute ihre eigenen Level bauen können. Ich war Mitglied in einer Facebook-Gruppe, wo diese Level geposted und diskutiert wurden. Und da hat sich dann gezeigt, dass ich auch die schweren Level schaffe, sodass die Leute das mal sehen wollten, wie ich das spiele. So ist dann die Idee mit dem twitch-Kanal entstanden. Aber da ging es noch gar nicht darum, Leute zu unterhalten; Speedruns waren fernab meiner Vorstellungskraft.”

Mit dem Format seines Kanals war Dennsen zu der Zeit weitgehend alleine auf twitch. Und so landeten vermehrt auch Leute in seinem Stream, die mit der Facebook-Gruppe überhaupt nichts zu hatten, ihm aber aufgrund seiner Fähigkeiten auch ihre Level schicken wollten. So kam Dennsen mit der Kaizo- und der Speedrun-Szene in Kontakt, die damals auf twitch immer populärer wurde.

“Zu dieser Zeit gab es das Format auf twitch noch nicht. Es war also viel Glück dabei, im richtigen Moment das richtige Spiel ausgesucht zu haben. Und irgendwann kam dann der Punkt, wo ich damit auch ein bisschen Geld verdient habe. Ich bin schon immer ein Zocker gewesen, seit ich denken kann. Da hast du dann immer den Traum, dass du davon leben kannst, dass das dein Job ist. Und zu dieser Zeit bekam ich das Gefühl, es könnte tatsächlich funktionieren. Mein Arbeitgeber gewährte mir dann ein Sabbatjahr, damit ich das ausprobieren konnte, was ein großes Glück war. Hätte es nicht funktioniert, wäre ich in meinen alten Job zurückgegangen. Und ohne das hätte ich es nicht gemacht. Mein Job machte mir Spaß und mein Vertrag war unbefristet, das hätte ich niemals weggeworfen, um zu versuchen, mit Mario Geld zu verdienen. Aber so war es eine Einladung und ich hätte mir sicherlich mein Leben lang Vorwürfe gemacht, es nicht versucht zu haben.”

Chat oder Weltrekord?

Dennsen hat auf twitch über 63.000 Follower*innen. Die Zahl der kostenpflichtigen monatlichen Abonnements, die sogenannten Subs, bewegt sich meist so um die 4.000. Außerdem ist er twitch-Partner, was ihm einen besseren Kontakt zu Sponsor*innen und Werbenden ermöglicht. Als er den Stream vor sechs Jahren startete, gehörte twitch bereits zu Amazon. Und doch ging es damals noch sehr viel “familiärer” zu, wie Dennsen erzählt.

“Für mich war das etwas total Besonderes, als twitch mich zum Partner gemacht hat. Die fanden gut, was ich auf meinem Kanal gemacht habe, und dann gab es damals noch so eine Art Bewerbungsgespräch, wo sie mich gefragt haben, was ich mir vorstellen würde.“

Für den Gamer aus dem Ruhrpott ist jedoch die Community der größte Gewinn an seinem neuen Job. Er geht an sechs Tagen in der Woche online und streamt im Schnitt sechs Stunden. Mit dem Chat interagiert er währenddessen wie kaum ein anderer, was ihm schon die ein oder andere Bestzeit gekostet hat.

“Die Leute schätzen sehr, dass ich stark auf den Chat eingehe, obwohl ich anspruchsvolle Spiele spiele. Ohne den Chat hätte ich aber auch gar keinen Bock. Mich mit den Leuten zu unterhalten ist das, was mir am Streamen den meisten Spaß macht. Dann lasse ich lieber mal 5 Sekunden irgendwo liegen und habe dafür eine Nachricht mehr gelesen.”

Trotz all dem Spaß an der Sache, nimmt Dennsen seinen Job als Content Creator sehr ernst. Die Streams, die in den letzten sechs Jahren ausgefallen sind, könne er an einer Hand abzählen.

“Für mich ist das mein Job. Da kann ich nicht einfach sagen, ich komme heute zwei Stunden später. Ich komme pünktlich zur Arbeit und wenn ich einen Kater habe, ist das mein Problem. Da sehe ich auch eine Verpflichtung den Zuschauenden gegenüber und denen, die das finanzieren. Wenn mich Leute fragen, wie sie auf twitch erfolgreich werden können, sage ich immer: ‘Seid konstant präsent auf der Seite.’ Das ist das Wichtigste; gerade für den Start. Du kannst nur einmal die Woche streamen, aber dann sei auch da, wenn du es angekündigt hast!”

Wider dem Nerd-Klischee

Zusätzlich zu den Streams versucht Dennsen die deutsche Speedrun-Szene zu stärken und bekannter zu machen, die von seiner Reichweite durchaus profitiert. Er besucht Messen, moderiert Speedrun-Events und seit letztem Jahr macht er die Sendung “Kaizo geht das!” auf rocketbeans TV.

“Im deutschen Raum ist die Speedrun-Szene noch vergleichsweise klein. In den USA gibt es beispielsweise das Charity-Event „Awesome Games Done Quick“, wo über 300.000 Leute gleichzeitig auf twitch zuschauen. Hier bei uns sind die Events noch sehr viel kleiner. Aber es passiert viel und auch ich versuche die Szene so gut es geht zu unterstützen. Es gibt noch immer dieses Klischee, dass das alles Nerds sind, die seit 30 Jahren in ihrem Keller sitzen und ein uraltes Spiel spielen. Da müssen wir von wegkommen und das ist ein bisschen meine Mission.”

Trotz der Größe von Plattformen wie twitch und dem enormen Erfolg von Gamer*innen wie Dennsen, hat die Gaming-Branche noch immer mit ihrem negativ konnotierten Nerd-Klischee zu kämpfen, das gerade in Deutschland ihr kreatives Potential zu verdecken droht. Dennsen erfüllt dieses Klischee jedoch nicht, auch wenn sein Arbeitszimmer, die dort aufwendig in Szene gesetzten Nintendo-Cartridges, die Arcade-Automaten und der Street Fighter-Pappaufsteller anderes vermuten lassen. Doch wer Dennsen sieht, würde ihn eher in eine hippe Berliner Kreativagentur stecken, als in einen Super-Mario-Stream: Hipster-Brille, flauschiger Bart und den ganzen Körper voller Tatoos. Er groovt zu den 8-Bit-Beats und -Synths, gestikuliert wild, wenn ihm ein Jump nicht gelingen will, und spricht offen über seine Arbeit als Content Creator. So war ihm auch der twitch-Leak vollkommen egal, weil sich das ja auch schon vorher jede*r hätte ausrechnen können, was er dort verdient, wie er im anschließenden Stream sagte.

“Sei authentisch! Sei du selbst!”, lautet das Credo jeder erfolgreichen Content Creation. Dennsen86 ist genau das. Und auch wenn er sich nicht als großer Entertainer und seinen Erfolg eher im Skill begründet sieht, ist seine sympathisch offene und ehrliche Art wahrscheinlich genauso Schuld daran.


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