Neues Urheberrecht in Kraft – Nützt es den Kreativschaffenden?

Der Umgang mit geistigem Eigentum hat in den sozialen Medien eine ganz neue Dynamik erfahren. Milliardenfach werden täglich Videos, Bilder, Memes, GIFs oder Songs geteilt. Schon länger gibt es hier einen Interessenkonflikt zwischen Kreativschaffenden bzw. Rechtsinhaber*innen und den Nutzer*innen von Upload- und Streaming-Plattformen. Mit den “Anpassungen des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts” hat die EU darauf reagiert und Richtlinien erarbeitet, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten. Berühmt geworden sind diese Änderungen in den Diskussionen um die sogenannten Upload-Filter. Seit dem 7. Juni sind die Änderungen des Urheberrechts in Deutschland in Kraft getreten. Wir haben einen Blick darauf geworfen und uns die Funktion der Upload-Filter genauer angeschaut und ob die Anpassung die Rechte der Kreativschaffenden stärkt.

Neues Urheberrecht in Kraft – Nützt es den Kreativschaffenden?

Kürzlich haben wir versucht, etwas Licht ins Dunkel des deutschen Urheberrechts zu bringen; für die Bereiche Musik sowie Film und Foto. Dabei haben wir allerdings die neuesten Änderungen noch nicht bedacht, die seit 7. Juni in Kraft sind. Die Rede ist von der “Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts”, die von der EU bereits im September 2016 beschlossen wurden. Kern der sogenannten DSM-Richtlinie ist die Frage der Haftbarkeit im Fall von Verletzungen des Urheberrechts im digitalen Raum. Bisher konnte digitaler Content, der fremdes geistiges Eigentum enthält, relativ frei durch das Netz zirkulieren, ohne die Rechtsinhaber*innen monetär an der Wertschöpfung zu beteiligen. Solchen Content sperren zu lassen war meist nur mit großem Aufwand und einer gerichtlichen Entscheidung möglich.

Die DSM-Richtlinie macht nun unmissverständlich klar: die Upload-Plattformen haften, nicht die Nutzer*innen. Doch diese Regelung hat in den letzten Jahren für teils hitzige Diskussionen und Kämpfe gesorgt, die entlang der Dichotomie von Meinungsfreiheit und Urheberrecht geführt wurden. Die Upload-Plattformen sollten Upload-Filter einsetzen, deren Algorithmen den Content vor der Veröffentlichung auf die illegale Verwendung fremden geistigen Eigentums abtasten können. Werden solche Inhalte erkannt, wird der Upload blockiert. Die Befürchtung war, dass es zu einem Over-Blocking kommt, also auch Inhalte gesperrt werden, die nicht unbedingt hätten gesperrt werden müssen, wie im Fall von Parodie und Satire, und damit die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet massiv eingeschränkt wird.

Zensiert die EU das Internet?

Der Vorwurf, die Europäische Union wolle das Internet mit den Upload-Filtern zensieren, war sicherlich ein etwas hetzerischer Vorwurf. Schließlich werden diese Filter schon sehr lange von den Plattformen eingesetzt und waren keine neue Idee der EU. Die Befürchtung des Over-Blocking war aber natürlich berechtigt, da Konzerne Rechtsstreitigkeiten i.d.R. vermeiden wollen. Ergo: lieber einmal mehr den Content blockieren als am Ende haftbar gemacht zu werden.

Die EU verkauft den Vorwurf der Zensur heute als Missverständnis. Dennoch hat diese nach dem großen Aufschrei der Internet-Communities nochmal ordentlich nachgebessert und die Regeln für die Upload-Filter konkretisiert. Das Ergebnis ist zwar auf den ersten Blick etwas kompliziert, scheint aber den schwierigen Balanceakt zwischen den Interessen der Kreativschaffenden bzw. Rechtsinhaber*innen und der Meinungs- und Kulturfreiheit im digitalen Raum gemeistert zu haben. Nun bleibt natürlich abzuwarten, wie die Anpassungen in der Praxis umgesetzt werden.

Mutmaßlich erlaubter Content

Wie wir in den letzten beiden Beiträgen zum Thema Urheberrecht erklärt hatten, geht es dabei viel um Lizenzierung. Und auch hier gibt es eine – mehr oder weniger – klare Regelung für die Upload-Plattformen. Diese sollen nicht einfach Upload-Filter einsetzen, sondern sind nun per Gesetz dazu verpflichtet, “zumutbare Anstrengungen” zum Lizenzerwerb zu unternehmen, wie in den FAQ zum besagten Gesetz erklärt wird. Darunter fällt auch die Prüfung, ob es bei den Verwertungsgesellschaften oder den Verlagen entsprechende Angebote gibt. Die Upload-Filter würden also nur dann zum Einsatz kommen, wenn eine Lizenzierung auf diesem Wege nicht möglich bzw. unzumutbar ist.

Aber auch wenn es nicht zu einer Lizenzierung kommen konnte, dürfen die Algorithmen der Upload-Filter nicht in der einst befürchteten Rigorosität vorgehen, sondern müssen für den Zweck des Contents “sensibilisiert” sein. Schließlich ist wie gesagt nicht jeder Content, der fremdes geistigen Eigentum enthält, illegal und muss blockiert werden. Für bestimmte Inhalte wird in dem Gesetzestext “vermutet”, dass diese legal sind, sofern diese bestimmte Voraussetzungen erfüllen. 

Dies ist der Fall, wenn weniger als die Hälfte eines fremden Werkes verwendet und mit Teilen anderer Werke oder eigenen Inhalten kombiniert wird, wie beispielsweise bei einem Meme. Und es gilt auch, wenn die fremden Inhalte via Flagging als erlaubt gekennzeichnet werden. Solche Nutzungen sind “mutmaßlich erlaubt” und dürfen nicht von den Filtern blockiert werden. Für die Filter ist das technisch kein Problem eine solche “mutmaßlich erlaubte Nutzung” zu erkennen. Erst im Nachgang kann ein*e Urheber*in gegen den Content Beschwerde bei der Plattform einlegen. Die Plattform hat dann eine Woche Zeit, darauf zu reagieren und eine Entscheidung zu treffen. Wie immer kann diese Entscheidung gerichtlich gekippt werden.

Vereinfachte Lizenzierungen

Foto by Markus Spiske

Die Regelung der “mutmaßlich erlaubten Nutzung” soll einen Kompromiss zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit sowie dem Kontroll- und Monetarisierungsinteresse der Rechtsinhaber*innen herstellen. Erfreulich ist dabei, dass der Fokus auf der Lizenzierung liegt. Denn so können Kreativschaffende an der Wertschöpfung beteiligt werden, von der sie bisher ausgeschlossen waren. Es ist nun auch sehr viel einfacher, die eigenen Werke flächendeckend sperren zu lassen, wenn keine Lizenz vorliegt und die Nutzung von den Rechtsinhaber*innen nicht gewünscht ist. Die Plattformen sind nun verpflichtet dazu, den Content in so einem Fall komplett zu sperren. Die komplizierten Kämpfe vor Gericht mit jeder einzelnen Plattform gehören nun also der Vergangenheit an.

Die Lizenzvergabe wurde auch etwas vereinfacht. Wie wir kürzlich erklärt hatten, müssen für bestimmte Werke mehrere Lizenzen eingeholt werden, da mehrere Urheber*innen bei verschiedenen Verlagen oder Labels eingetragen sind. Mit der Anpassung können nun auch kollektive Lizenzen von den Verwertungsgesellschaften vergeben werden. So können unter bestimmten Voraussetzungen Lizenzen für ein komplettes Werk vergeben werden, auch wenn nicht alle Rechtsinhaber*innen von der Verwertungsgesellschaft vertreten werden. So wird der Lizenzerwerb einfacher und es können auch solche erworben werden, die bisher nur schwierig zu bekommen waren, weil die betreffenden Personen nicht geklärt oder nicht ausfindig zu machen waren.

Diebstahl oder Pastiche?

Diskussionsbedarf wird es in Zukunft um die Kategorie “Pastiche” geben, die neu ins Urheberrecht aufgenommen wurde. Ein Pastiche ist gewissermaßen eine Imitation eines anderen Werkes. Die Mona Lisa aus Lego wäre zum Beispiel eine solche Imitation. Die Idee bzw. der Stil des Originals bleibt klar erkennbar, wird aber in einen veränderten Kontext gestellt oder mit anderen Elementen angereichert. Ein Pastiche kann sowohl positiv als Hommage als auch kritisch oder veralbernd als Parodie oder Satire funktionieren. Im neuen Gesetzestext ist ein Pastiche erlaubt. Einige Kreativschaffende haben hier die Befürchtung geäußert, dies sei ein Freifahrtschein, fremdes Material ohne Lizenz verwenden zu können, wenn es einfach als Pastiche benannt wird. Hier wird es zukünftig viel Klärungsbedarf und womöglich auch Rechtsstreitigkeiten geben.

Im neuen Gesetz werden noch viele weitere Sachverhalte geregelt. Darunter Text- und Data-Mining für kommerzielle und wissenschaftliche Zwecke, ein neu formuliertes Presseverlegerleistungsschutzrecht sowie Regelungen zur Kabelweitersendung. Auch wenn das auf den ersten Blick alles sehr kompliziert anmutet, wie das bei deutschen Gesetzen so üblich ist, und es sicherlich einige Streitpunkte geben wird, scheint das neue Gesetz insgesamt die Rücken der Kreativschaffenden gestärkt zu haben.


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