Das Wissen um die Arbeit und Funktion der Industrie- und Handelskammer beschränkt sich meist auf die Abnahme von Abschlussprüfungen in Ausbildungsberufen. Unentdeckt bleibt dagegen, dass die IHK auch Interessenvertretung für ihre Mitglieder betreibt und unternehmensrechtliche Services und Hilfestellungen bietet.
Einseitiger Schriftverkehr
Dies gilt auch für die Kreativbranche, was meist nur diejenigen Kreativen wissen, die ein Gewerbe angemeldet und daraufhin Willkommenspost von der zuständigen IHK bekommen haben. Die Zuständigkeit richtet sich nach der Region, in der das Gewerbe angemeldet wurde. Bundesweit gibt es 79 Regionen, für die jeweils eine Kammer zuständig ist. Allein Berlin hat ca. 300.000 Unternehmen, die verpflichtend Mitglied sind, davon ca. 75.000 in der Kreativbranche. Den Beitrag müssen aber nicht alle Unternehmen bezahlen. Und so bleibt das Verhältnis vieler dieser Unternehmen zu ihrer IHK häufig auf den einseitigen Schriftverkehr beschränkt.
Katrins Job ist es, dies für ihre Branche zu ändern. Als Branchen-Managerin der Kreativwirtschaft sucht sie tagtäglich das Gespräch zu den kreativen Mitgliedern der Berliner Kammer. Unabdinglich dafür: Erfahrung in der Kreativbranche.
Der Kreativbranche treu
Davon hat Katrin reichlich. Ihrer großen Leidenschaft für die Filmproduktion folgend, ging sie an die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, um sich dort in Film- und Fernsehproduktion sowie Line-Production ausbilden zu lassen. Beste Grundlage, um daraufhin als Produktionskoordinatorin bei den Dokumentar-Spezialist*innen von zero one film zu arbeiten.
Der Familienzuwachs ließ Katrin nach einer beruflichen Veränderung suchen. Doch der Kreativbranche den Rücken kehren wollte sie nicht so richtig. Und so landete sie bei der Kulturförderung des Medienboard Berlin-Brandenburg, wo sie ihrer Leidenschaft gewissermaßen von einer anderen Seite aus nah sein und sich regional für die Kreativen einsetzen konnte. Von dort aus war der gedankliche Schritt zur IHK nicht mehr ganz so weit.
“Passt du da überhaupt rein?”
Als sie dann jedoch auf dem Weg zu ihrem Job-Interview war und sich zuvor ungewöhnlich viele Gedanken über ihr Outfit gemacht hatte – die IHK klingt schließlich nicht nach Kreativ-Attitüde –, überkam sie dann doch ein leicht mulmiges Gefühl und sie fragte sich, ob sie denn da überhaupt rein passe. Wie sich herausstellen sollte ganz umsonst. Denn zu ihrer Überraschung präsentierte sich die IHK sehr viel weniger verstaubt, als sie befürchtet hatte: “Ich habe gelernt, dass eine Industrie- und Handelskammer innovativ, jung und frisch sein kann”, erzählt Katrin.
Ihre Vergangenheit in der Kreativbranche entpuppte sich nicht nur als nettes Plus, sondern als Grundvoraussetzung für die Stelle als Branchen-Managerin, was für eine gewisse Sensibilität in den Reihen der Berliner IHK spricht. Und so sieht auch Katrin gar keinen Widerspruch zum Kreativ-Sein in ihrer neuen Stelle. “Ich lerne jeden Tag so viele neue Unternehmen kennen, die auf ihre Art und Weise kreativ sind und mit denen ich mich austauschen kann.”
Branchenübergreifende Synergieeffekte
Die Aufgabe einer Branchen-Managerin bei der IHK ist lässt sich am besten auf drei Schlagworte herunterbrechen: Unterstützung, Vernetzung und Interessenvertretung. Unterstützung finden die Mitglieder zum Beispiel in arbeitsrechtlichen Fragestellungen, die von ausgebildeten Expert*innen beantwortet werden. Bei Streitfragen bietet die IHK auch eine kostenfreie Informationen zur Rechtslage an, wobei die IHK hier natürlich neutral bleiben muss und nicht haftbar gemacht werden kann. Außerdem setzt die IHK auf Anfrage unternehmensrechtliche Dokumente für ihre Mitglieder auf, was den Mitgliedern im deutschen Dickicht der Bürokratie durchaus Gold wert sein kann.
Die Vernetzung wird branchenübergreifend angestrebt. Wenn Katrin also in ihrem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein Netzwerk-Event der „IHK vor Ort“ organisiert, geht es vor allem darum, die lokal ansässigen Unternehmen zusammenzubringen, da diese häufig ähnliche Probleme haben und voneinander profitieren können.
Bei einer Filmpremiere zur Berlinale 2020 im Kino am Südstern, die Katrin organisiert hatte, waren so nicht nur Film-, Kunst- und Medienschaffende eingeladen, sondern auch der Imbiss von gegenüber. Da die IHK alle Branchen bei sich versammelt, wird dies möglich und sie kann lokale Synergieeffekte erzielen. “Wir sind kein Verband und so müssen wir nicht branchenspezifisch arbeiten, sondern können die Dinge angehen, die jedes Unternehmen betrifft,” erklärt Katrin. Aktuell plant sie eine Veranstaltung zum nachhaltigen Wirtschaften, die natürlich digital stattfinden soll.
“Wollt ihr wissen, was wir eigentlich machen?”
Die wichtigste Funktion der IHK ist jedoch die Interessenvertretung. Im ständigen Gespräch mit Vertreter*innen aus der Branche sammelt Katrin Informationen zu den aktuellen Problemen, Wünschen und Forderungen, die dann gebündelt an die Politik weitergegeben werden. Die IHK macht also ein Stück weit Lobbyarbeit. Für die Kontaktaufnahme mit der Politik ist allerdings nicht Katrin zuständig. Diese kümmert sich in erster Linie um die Kommunikation mit den Mitgliedern und versucht die Arbeit der Kammer transparenter zu machen, von der die meisten gar nicht wissen, worin sie besteht: “Ich gehe auf die Unternehmen zu und sage, ‘Ihr seid doch Mitglied. Wollt ihr wissen, was wir eigentlich machen? Und die meisten wollen das wissen.”
Wer zahlt und wer nicht?
Die Beiträge der Mitglieder garantieren die finanzielle Unabhängigkeit der IHK, sodass diese die Informationen aus den Branchen sammeln und ohne Interessenkonflikt an die Politik weitergeben kann. Die Beiträge ihrer Mitglieder, die von der Höhe des Gewerbeertrags abhängen, folgen dem Solidaritätsprinzip, da alle dieselben Leistungen erhalten. Von der Beitragspflicht befreit sind diejenigen Unternehmen, die nicht im Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Jahresertrag unter 5.200 € liegt.
Seit 2004 gilt auch für natürliche Personen, die unter einem Jahresertrag von 25.000 € liegen, eine Sonderregelung. In den ersten zwei Jahren der Geschäftstätigkeit müssen diese keinen Mitgliedsbeitrag zahlen und in den ersten vier Jahren auch keine Umlagen. Auch hier bleiben die Leistungen dieselben. Von dem Solidaritätsprinzip profitieren viele Kreativschaffende mit geringen und wechselnden Erträgen. Wenn ihr selbst eine Unternehmensgründung plant, könnt ihr hier euren erwarteten Beitrag berechnen lassen. Dann wisst ihr, worauf ihr euch einstellen müsst. Denn die Rechnung kommt simultan mit dem Willkommensschreiben.
Damit die Interessen der Unternehmen erfasst und an die Politik weitergegeben werden können, ist Katrins Job und der Kontakt zu den Unternehmen ungemein wichtig: “Unsere Aufgabe ist es, Gesamtinteressen weiterzugeben. Woher sollen wir die haben, wenn wir nicht mit den Leuten reden?”
Nachbesserungsbedarf
Die IHK erfüllt wichtige Aufgaben und bietet durchaus gute Services, von denen viel zu wenige wissen, obwohl die meisten jährlich den Beitrag abführen. Hier besteht auf jeden Fall noch Bedarf zur Nachbesserung. Katrin ist noch relativ neu in ihrem jungen Team und hat hier viel vor. Auch neue und digitale Formate zur Mitgliederkommunikation könnte sie sich vorstellen. Den Podcast nicht freizugeben, erscheint uns allerdings wie ein Schritt in die falsche Richtung, da der Podcast ein offenes und transparentes Bild der IHK erzeugt hätte. So ist leider in den Wochen nach der Aufnahme bei uns wieder etwas Staub auf das Bild der IHK gerieselt.
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